Grab im Wald
Alter sie den Hauptteil ihres Besitzes bekommen sollte. Wir wollten vermeiden, dass sie zu jung so viel Geld erbte, aber andererseits gehörte es ihr.
Meine Jane war in allen Belangen so praktisch und vernünftig, nachdem die Ärzte ihr das Todesurteil verkündet hatten. Ich konnte nicht damit umgehen. Man lernt viel, wenn ein Mensch, den man liebt, langsam ausgezählt wird. Ich habe gelernt, wie stark und tapfer ein Mensch sein kann, was ich vor Janes Erkrankung für unvorstellbar gehalten hatte. Außerdem habe ich erfahren, dass ich weder ihre Kraft noch ihren Mut besitze.
Cara und Madison, meine Nichte, spielten in der Einfahrt. Die Tage wurden jetzt merklich länger. Madison saß auf dem Asphalt und malte mit Kreidestücken darauf, die wie Zigarren aussahen. Meine Tochter fuhr auf einem dieser langsamen, motorisierten Mini-Autos, auf die Drei- bis Sechsjährige heutzutage so versessen sind. Die Kinder, denen sie gehörten, spielten nie damit. Das taten nur Besucher und Spielkameraden.
Ich stieg aus dem Wagen und rief: »Hallo, meine Lieben.«
Ich wartete, dass die beiden sechsjährigen Mädchen ihr Spiel beendeten, zu mir herübergerannt kamen und mich umarmten. So hatte ich mir das gedacht. Madison sah zwar zu mir herüber, hätte aber nicht gelangweilter blicken können. Meine Tochter tat so, als hätte sie mich nicht gehört. Cara fuhr mit dem Barbie-Jeep einen Kreis. Der Akku war fast leer, und das Elektrofahrzeug
bewegte sich langsamer als mein Onkel Morris, wenn er einen Scheck aus der Tasche zog.
Greta stieß die Fliegentür auf. »Hey.«
»Hey«, sagte ich. »Wie war der Rest der Turnvorführungen?«
»Da brauchst du dir keine Sorgen machen«, sagte Greta und hob die Hand zu einem Pseudo-Salut über die Augen. »Ich hab alles auf Video.«
»Na prima.«
»Und was war mit den beiden Polizisten?«
Ich zuckte die Achseln. »Bloß Arbeit.«
Sie glaubte mir nicht, hakte aber nicht nach. »Ich hab Caras Rucksack im Haus.«
Sie ging rein und ließ die Tür hinter sich zufallen. Zwei Arbeiter kamen hinten aus dem Garten. Bob und Greta ließen einen Swimmingpool bauen und bei der Gelegenheit gleich noch den Garten umgestalten. Das hatten sie schon seit Jahren geplant, dann aber gewartet, bis Madison und Cara alt genug waren und schwimmen konnten.
»Komm«, sagte ich zu meiner Tochter. »Wir müssen los.«
Wieder ignorierte Cara mich, indem sie vorgab, dass sie über dem Surren des rosafarbenen Barbie-Jeeps nichts hören konnte. Ich runzelte die Stirn und starrte auf sie hinab. Cara war unglaublich dickköpfig. Gern hätte ich gesagt: »Genau wie ihre Mutter«, aber meine Jane war die geduldigste und verständnisvollste Frau, die man sich nur vorstellen konnte. Es war faszinierend. Man sah sowohl die schlechten als auch die guten Eigenschaften in seinen Kindern. All ihre negativen Eigenschaften schien Cara von ihrem Vater geerbt zu haben.
Madison legte die Kreide zur Seite. »Jetzt mach schon, Cara.«
Cara ignorierte auch ihre Spielgefährtin. Madison zuckte die Achseln und seufzte auf diese kindlich weltüberdrüssige Art. »Hi, Onkel Cope.«
»Hey, Süße. Habt ihr schön zusammen gespielt?«
»Nein«, sagte Madison und stemmte die Fäuste in die Hüfte. »Cara spielt nie mit mir. Sie spielt immer nur mit meinen Sachen.«
Ich versuchte, sie verständnisvoll anzugucken.
Greta kam mit dem Rucksack aus dem Haus. »Die Hausaufgaben sind schon erledigt«, sagte sie.
»Danke.«
Sie winkte ab. »Cara, mein Schatz? Dein Vater wartet auf dich.«
Cara ignorierte auch sie. Ich wusste, dass ein Wutanfall bevorstand. Auch das hat sie wohl von ihrem Vater. In unserem von Disney inspirierten Weltbild hat die Beziehung zwischen einem verwitweten Vater und seiner Tochter etwas Zauberhaftes. Als Beweis kann man praktisch jeden Kinderfilm heranziehen – Die kleine Meerjungfrau, Die Schöne und das Biest, Sara, Die kleine Prinzessin, Aladdin –, man kennt das ja. In Filmen scheint es ziemlich toll zu sein, wenn man keine Mutter hat, was, wenn man genauer darüber nachdenkt, ziemlich pervers ist. Im richtigen Leben ist es ungefähr das Schlimmste, was einem kleinen Mädchen passieren kann.
Ich sagte streng: »Cara, wir wollen jetzt los.«
Ihre Miene war starr – ich bereitete mich auf den Streit vor –, aber zum Glück waren die Götter auf meiner Seite. Die Batterie des Barbie-Jeeps war endgültig leer. Der rosafarbene Wagen blieb stehen. Cara versuchte den Wagen durch kräftiges Rucken noch ein
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