Grab im Wald
das. Und vielleicht kann man im Fernsehen Spenden sammeln oder so.«
Flair Hickory erhob sich. Theatralisch, wie sonst? Ich rechnete fast damit, dass er noch einen Knicks machte. »Ich glaube,
für heute hat sich das erledigt. Wir sehen uns morgen, mein Hübscher. Und Sie …«, er sah Loren Muse an, öffnete den Mund, schloss ihn wieder und erschauerte.
»Flair.«
Er sah mich an.
»Die Sache mit Cal und Jim«, sagte ich, »beweist nur, dass sie die Wahrheit sagt.«
Flair lächelte: »Wie kommen Sie denn darauf?«
»Ihre Jungs waren clever. Sie haben sich Cal und Jim genannt, damit sie das aussagt.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Und Sie glauben, damit können Sie die Geschworenen überzeugen?«
»Warum hätte sie das sonst sagen sollen, Flair?«
»Wie bitte?«
»Ich meine, wenn Chamique Ihre Mandanten reinreißen wollte, warum hätte sie dann nicht ihre richtigen Namen angeben sollen? Warum sollte sie sich diesen Cal-und-Jim-Dialog ausdenken? Sie haben Ihre Aussage gelesen. ›Dreh sie da rum, Cal.‹ ›Beug sie nach vorn, Jim.‹ ›Hey, Cal, die Schlampe fährt voll darauf ab.‹ Warum sollte sie sich das ausdenken?«
Mort übernahm die Antwort. »Weil sie eine geldgeile Hure und dümmer als Brot ist.«
Aber ich merkte, dass ich Flair ins Grübeln gebracht hatte.
»Ich finde das unlogisch«, sagte ich zu ihm.
Flair beugte sich zu mir herüber. »Passen Sie auf, Cope: Das stört mich absolut nicht. Und das wissen Sie ganz genau. Vielleicht haben Sie recht. Vielleicht ist es wirklich unlogisch. Aber eins ist klar, es sorgt für Verwirrung. Und der von mir hochverehrte Mr Berechtigte Zweifel mag Verwirrung.« Er lächelte. »Vielleicht haben Sie ein paar physische Beweise, aber wenn Sie das Mädel in den Zeugenstand rufen, werde ich mich nicht zurückhalten. Das wird Spiel, Satz und Sieg für uns. Und das wissen Sie genauso gut wie ich.«
Sie gingen zur Tür.
»Danke für den Applaus, mein Freund. Wir sehen uns im Gericht.«
4
Muse und ich sagten einen Moment lang nichts.
Cal und Jim. An den beiden Namen hatten wir schwer zu knabbern.
Normalerweise war der Chefermittler der Bezirksstaatsanwaltschaft ein Veteran, ein mürrischer, von seiner Lebenserfahrung gezeichneter und oft auch schon etwas ausgebrannter Mann mit Bauch, der tiefe Seufzer ausstieß und einen abgetragenen Trenchcoat trug. Seine Aufgabe bestand darin, den arglosen Bezirksstaatsanwalt, der aus rein politischen Gründen berufen oder wegen seiner hübschen Augen gewählt worden war, sicher durch die Stolperdrähte und Fußangeln des Strafverfolgungssystems im County zu lotsen.
Loren Muse war gut eins fünfzig groß und ungefähr so schwer wie ein durchschnittlicher Viertklässler. Meine Entscheidung für Muse hatte unter den Veteranen für große Aufregung gesorgt, sie hatte aber mit einem privaten Vorurteil von mir zu tun, das ich Ihnen hier verrate: Ich bevorzuge alleinstehende Frauen eines gewissen Alters. Sie arbeiten härter und sind wesentlich loyaler. Schon gut, ich weiß, aber meine bisherigen Erfahrungen haben diese Einschätzung fast in jedem Fall bestätigt. Wenn man sich eine alleinstehende Frau sucht, die älter als etwa dreiunddreißig Jahre ist, mit der Karriere als einzigem Lebensinhalt, dann steckt sie all ihre Zeit und Energie in die Arbeit, was man von Verheirateten mit Kindern niemals erwarten kann.
Der Fairness halber muss ich aber hinzufügen, dass Muse eine unglaublich begabte Ermittlerin ist. Ich sprach gern mit ihr
über die anfallenden Probleme. Aber jetzt starrte sie gerade zu Boden.
»Was denken Sie?«, fragte ich.
»Sind die Schuhe wirklich so hässlich?«
Ich sah sie an und wartete.
»Um es auf den Punkt zu bringen«, sagte sie, »wenn wir nicht irgendeine plausible Erklärung für die Cal-und-Jim-Sache finden, sind wir am Arsch.«
Ich starrte zur Decke.
»Was ist?«, fragte Muse.
»Die beiden Namen.«
»Was ist damit?«
»Warum?«, fragte ich zum zigsten Mal. »Warum ausgerechnet Cal und Jim?«
»Keine Ahnung.«
»Haben Sie Chamique noch mal befragt?«
»Hab ich. Ihre Geschichte ist schon fast erschreckend konsistent. Sie haben sich mit diesen Namen angesprochen. Wahrscheinlich haben Sie Recht, und das war einfach nur ein Täuschungsmanöver – damit Chamiques Geschichte bescheuert klingt.«
»Aber wie sind sie gerade auf diese Namen gekommen?«
»Wahrscheinlich haben sie sich die einfach ausgedacht.«
Ich runzelte die Stirn. »Wir übersehen da irgendwas, Muse.«
Sie nickte.
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