Grab im Wald
hört ja oft davon, dass die Presse oder das Fernsehen so etwas tun, aber ich erlebte es zum ersten Mal. Die einheimischen Polizisten waren vor Ort und offensichtlich ziemlich aufgeregt, dass sie endlich mal etwas tun konnten, das nach einer großen Sache aussah. Sie standen rechts und links in der Zufahrt, so dass ich unbehelligt zum Haus fahren konnte. Die Reporter ließen die Polizei gewähren. Im Großen und Ganzen schienen sie meine Ankunft kaum zur Kenntnis zu nehmen.
Greta nahm mich wie einen siegreichen Helden in Empfang. Sie gab mir einen Kuss, umarmte mich und gratulierte. Ich liebe Greta. Es gibt Menschen, von denen man weiß, dass sie einfach nur gut und immer auf deiner Seite sind. Das sind nicht viele, aber doch immerhin ein paar. Greta würde sich für mich in die Schusslinie werfen. Und ich hatte das Bedürfnis, sie zu beschützen.
In dieser Hinsicht erinnerte sie mich an meine Schwester.
»Wo ist Cara?«, fragte ich.
»Bob ist mit Cara und Madison zum Abendessen ins Baumgart’s gefahren.«
Estelle holte in der Küche die Wäsche aus der Maschine. »Ich muss heute Abend noch weg«, sagte ich ihr.
»Kein Problem«, sagte Greta. »Cara kann bei uns schlafen.«
»Danke, aber ich glaub, es wär mir lieber, wenn sie heute Nacht zu Hause schläft.«
Greta folgte mir ins Wohnzimmer. Die Haustür ging auf, und Bob kam mit den beiden Mädchen herein. Wieder stellte ich mir vor, wie meine Tochter auf mich zurannte und sich mit den Worten: »Daddy, du bist ja zu Hause!« in meine Arme stürzte. Das geschah nicht. Aber immerhin lächelte sie und kam zu mir herüber. Ich nahm sie auf den Arm und gab ihr einen Kuss. Sie lächelte weiter, wischte sich aber die Wange ab. Hey, mehr kann ich wirklich nicht erwarten.
Bob schlug mir auf den Rücken. »Glückwunsch zum Prozessgewinn«, sagte er.
»So weit sind wir noch nicht.«
»Da sind die Damen und Herren von den Medien aber anderer Ansicht. Diesen Jenrette solltest du damit endlich vom Hals haben.«
»Oder er schlägt noch verzweifelter um sich.«
Bob wurde noch etwas blasser. Wenn er in einem Film mitspielen würde, wäre er prädestiniert für die Rolle des bösen, reichen Republikaners. Seine Haut war immer leicht gerötet, sein Gesicht pausbäckig, und seine Finger waren kurz und dick. Er war ein gutes Beispiel dafür, wie Äußerlichkeiten in die Irre führen konnten. Bob kam aus einer echten Arbeiterfamilie. Er hatte studiert und hart geschuftet. Nichts war ihm geschenkt oder leicht gemacht worden.
Cara kam mit einer DVD zurück ins Wohnzimmer. Sie hielt sie wie eine Opfergabe in beiden Händen und streckte sie hoch in die Luft. Als mir einfiel, welcher Wochentag war, schloss ich kurz die Augen und verfluchte mich innerlich. Dann sagte ich zu meiner kleinen Tochter. »Richtig, heute ist ja Filmabend.«
Sie streckte die DVD immer noch mit weit aufgerissenen Augen hoch über den Kopf. Sie lächelte dabei. Auf der Hülle waren irgendwelche computeranimierten oder Zeichentrickfiguren mit sprechenden Autos, Tieren vom Bauernhof oder aus dem Zoo. Irgendetwas von Pixar oder Disney, das ich schon mindestens hundertmal gesehen hatte.
»Genau. Machst du uns Popcorn?«
Ich ging auf ein Knie, damit ich auf Augenhöhe mit ihr war. Dann legte ich ihr die Hand auf die Schulter. »Schatz«, sagte ich, »Daddy muss heute noch weg.«
Keine Reaktion.
»Tut mir wirklich leid, meine Süße.«
Ich wartete auf die Tränen. »Kann Estelle mit mir gucken?«
»Natürlich, mein Schatz.«
»Kann sie auch Popcorn machen?«
»Klar.«
»Cool.«
Ein bisschen Niedergeschlagenheit hatte ich mir schon erhofft. Keine Chance.
Cara hopste davon. Ich sah Bob an. Er zuckte die Achseln, als wollte er sagen: Kinder – da kann man nichts machen.
»Innerlich«, sagte ich und deutete auf meine Tochter. »Ganz tief im Innersten ist sie am Boden zerstört.«
Bob lachte, und mein Handy klingelte. Im Display stand nur NEW JERSEY, aber ich erkannte die Nummer sofort und war freudig überrascht. Ich drückte die Annahmetaste und sagte: »Hallo?«
»Gute Arbeit, Supermann.«
»Mister Governor«, sagte ich.
»Das ist so nicht richtig.«
»Wie bitte?«
»Mister Governor. Den Präsidenten der USA spricht man richtig als Mister President an, aber Gouverneure werden entweder
einfach als Governor oder mit dem Titel und ihrem Nachnamen angesprochen, zum Beispiel Governor Schwerenöter oder Governor Frauenheld.«
»Und«, fragte ich, »wie sieht es mit Governor Analfixiert
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