Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
Vom Netzwerk:
begrenzte die Anzahl der Verstecke naturgemäß ungemein, und
auch das Freischlagen war nicht leicht. Cara kroch unter die Decke, und ich tat so, als könnte ich sie nicht finden. Im nächsten Durchgang schloss sie dann die Augen, und ich steckte den Kopf unter die Decke. Sie konnte ebenso gut vorgeben, mich nicht zu finden, wie ich. Manchmal versteckte ich mich, indem ich meinen Kopf direkt vor ihre Augen hielt, so dass sie mich sofort sah, wenn sie die Augen öffnete. Wir lachten beide – na ja – wie Kinder eben. Das Ganze war töricht und dumm, und Cara würde schnell zu alt dafür werden, wobei ich hoffte, dass es noch ewig so weiterging.
    Greta klingelte nicht, sondern kam mit dem Schlüssel herein, den ich ihr schon vor Jahren gegeben hatte. Ich hatte nur noch Augen für die Glückseligkeit meiner Tochter gehabt, und die Welt um mich herum – studentische Vergewaltiger, verschwundene Schwestern, kehleschlitzende Serienkiller, vertrauenbrechende Schwager und trauernde Väter, die kleine Mädchen bedrohen  – hatte ich vollkommen vergessen. Aber als ich hörte, wie unten die Haustür geöffnet wurde, war alles mit einem Schlag wieder da.
    »Ich muss runter«, sagte ich zu Cara.
    »Einmal noch«, flehte sie.
    »Deine Tante Greta ist gekommen. Ich muss mit ihr reden, okay?«
    »Einmal noch. Bitte.«
    Wenn irgendetwas zu Ende geht, wollen Kinder es immer noch ein einziges Mal machen. Und wenn man nachgibt, wollen sie es hinterher noch einmal. Lässt man sich also breitschlagen, hören sie nie mehr auf. Sie wollen es immer noch einmal mehr machen. Also sagte ich: »Na gut, aber wirklich nur noch einmal.«
    Cara lächelte und versteckte sich, und ich fand sie, und sie fing mich, und dann sagte ich, dass ich jetzt aber gehen musste, und sie wollte es noch einmal machen, aber jetzt blieb ich konsequent,
also gab ich ihr einen Gutenachtkuss und ließ sie bettelnd und den Tränen nahe zurück.
    Greta wartete unten an der Treppe auf mich. Sie war nicht blass. Ihre Augen waren trocken. Ihr Mund war ein gerader Strich, was die sowieso etwas zu weit herausragenden Wangenknochen noch mehr betonte.
    »Ist Bob nicht mit?«, fragte ich.
    »Er passt auf Madison auf. Außerdem kommt seine Anwältin noch vorbei.«
    »Wen hat er genommen?«
    »Hester Crimstein.«
    Ich kannte sie. Sie war sehr gut.
    Ich ging die Treppe hinunter. Für gewöhnlich gab ich ihr einen Wangenkuss. Heute nicht. Ich wusste nicht genau, was ich tun sollte. Ich wusste auch nicht, was ich sagen sollte. Greta ging ins Wohnzimmer. Ich folgte ihr. Wir setzten uns auf die Couch. Ich nahm ihre Hände und hielt sie fest. Ich betrachtete ihr Gesicht, das schlichte Gesicht, und wie immer sah ich einen Engel. Ich verehrte Greta. Ganz ehrlich. Es brach mir das Herz, als ich sie so vor mir sah.
    »Was ist los?«, fragte ich.
    »Du musst Bob helfen«, sagte sie. »Uns helfen.«
    »Ich tu, was ich kann. Das weißt du doch.«
    Ihre Hände waren eiskalt. Sie senkte den Kopf und sah mir direkt in die Augen.
    »Du musst sagen, dass du uns das Geld geliehen hast«, sagte Greta monoton. »Dass du Bescheid wusstest. Dass wir das Geld mit Zinsen zurückzahlen wollten.«
    Ich saß reglos da.
    »Paul?«
    »Ich soll lügen?«
    »Gerade eben hast du gesagt, dass du tust, was du kannst.«
    »Willst du damit sagen …«, ich musste Luft holen, »… dass
Bob das Geld wirklich genommen hat? Er hat die Stiftung beklaut?«
    Sie sagte bestimmt: »Er hat sich das Geld geliehen, Paul.«
    »Das ist doch ein Witz, oder?«
    Greta zog ihre Hände weg. »Das verstehst du nicht.«
    »Dann erklär’s mir.«
    »Er kommt ins Gefängnis«, sagte sie. »Bob, mein Mann, Madisons Vater kommt ins Gefängnis. Verstehst du das? Das würde unser Leben zerstören. Unser aller Leben.«
    »Daran hätte Bob denken müssen, bevor er die Stiftung beklaut hat.«
    »Er hat sie nicht beklaut. Er hat sich das Geld geliehen. Er hatte Probleme in seinem Job. Wusstest du, dass er seine beiden größten Kunden verloren hat?«
    »Nein. Warum hat er mir das nicht erzählt?«
    »Was hätte er denn sagen sollen?«
    »Also hielt er es für besser, das Geld zu klauen?«
    »Er hat es nicht …« Sie brach mitten im Satz ab. »So einfach ist das nicht. Die Verträge waren schon unterzeichnet, und die Bauarbeiten hatten angefangen. Wir haben einen Fehler gemacht. Wir haben uns einfach finanziell übernommen.«
    »Aber deine Familie hat doch Geld.«
    »Nach Janes Tod haben meine Eltern es für das Beste gehalten, alles auf

Weitere Kostenlose Bücher