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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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ein Treuhandkonto zu legen. Da komm ich nicht ran.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Also hat er geklaut?«
    »Kannst du jetzt endlich damit aufhören? Guck dir das an.« Sie gab mir ein paar Fotokopien. »Bob hat jeden Cent festgehalten, den er aus der Stiftung genommen hat. Er hat alles mit sechs Prozent verzinst. Er hätte alles zurückgezahlt, sobald er wieder auf die Beine gekommen war. Damit wollte er nur die Durststrecke überbrücken.«
    Ich überflog die Fotokopien, suchte nach irgendetwas, das ihre Worte belegte, nach einem Beweis, dass er das, was sie
sagte, wirklich getan hatte. Aber ich fand nichts. Das waren lauter Kopien von handgeschriebenen Zetteln, die er irgendwann gemacht haben konnte. Mein Mut sank.
    »Wusstest du davon?«, fragte ich.
    »Das spielt keine Rolle.«
    »Natürlich tut’s das. Wusstest du das?«
    »Nein«, sagte sie. »Er hat mir nicht erzählt, woher das Geld stammte. Aber hör zu, weißt du, wie viele Stunden Bob für JaneCare arbeitet? Er leitet es. Das ist keine ehrenamtliche Tätigkeit mehr, sondern im Prinzip ein Vollzeitjob, für den er ein volles Gehalt verdient hätte. Und zwar mindestens sechsstellig pro Jahr.«
    »Jetzt erzähl mir bitte nicht, dass du sein Verhalten auf die Art rechtfertigen willst.«
    »Ich werde es auf jede Art rechtfertigen, die mir einfällt. Ich liebe meinen Mann. Du kennst ihn. Er ist ein guter Mensch. Er hat sich das Geld geliehen und hätte es zurückgezahlt, bevor irgendjemand was davon gemerkt hätte. Solche Sachen passieren andauernd. Das weißt du auch. Aber wegen deiner Sturheit und diesem Scheiß-Vergewaltigungsfall hat jemand die Polizei darauf gebracht. Und weil du der Bezirksstaatsanwalt bist, werden sie an ihm ein Exempel statuieren. Sie werden den Mann zerstören, den ich liebe. Und wenn sie ihn zerstören, zerstören sie auch mich und meine Familie. Ist dir das klar, Paul?«
    Es war mir klar. Ich hatte so etwas schon erlebt. Sie hatte Recht. Die Polizei würde die ganze Familie in die Mangel nehmen. Ich versuchte, meine Wut herunterzuschlucken. Ich versuchte, es mit Gretas Augen zu sehen, ihre Rechtfertigungen zu akzeptieren.
    »Ich weiß nicht, was du von mir erwartest«, sagte ich.
    »Wir reden hier über mein Leben.«
    Als sie das sagte, zuckte ich zusammen.
    »Rette uns. Bitte.«

    »Durch Lügen?«
    »Es war ein Darlehen. Er hatte einfach nicht die Zeit, dir davon zu erzählen.«
    Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Er hat eine Wohltätigkeitsstiftung bestohlen. Er hat die Stiftung deiner Schwester bestohlen.«
    »Nicht die Stiftung meiner Schwester«, sagte sie. »Deine.«
    Darauf ging ich nicht ein. »Ich wünschte, ich könnte dir helfen, Greta.«
    »Also lässt du uns im Stich?«
    »Ich lasse euch nicht im Stich. Aber ich werde euretwegen nicht lügen.«
    Sie starrte mich nur an. Der Engel war verschwunden. »Ich würde es für dich tun. Das weißt du.«
    Ich sagte nichts.
    »Du hast jeden Menschen in deinem Leben im Stich gelassen«, sagte Greta. »Damals im Camp hast du nicht auf deine Schwester aufgepasst. Und am Ende, als meine Schwester am meisten gelitten hat, da …« Sie brach ab.
    Es war fünf Grad kälter geworden im Zimmer. Ich spürte, wie die Leichen in meinem Keller aus ihren Gräbern stiegen.
    Ich sah ihr in die Augen. »Sag’s doch. Sprich weiter und sag es.«
    »Bei JaneCare geht es nicht um Jane. Es geht nur um dich und um deine Schuld. Meine Schwester lag im Sterben. Sie hat gelitten. Ich habe am Totenbett ihre Hand gehalten. Und du warst nicht da.«
    Das unendliche Leiden. Tage waren zu Wochen geworden, Wochen zu Monaten. Ich war bei ihr gewesen. Ich hatte alles miterlebt. Oder wenigstens das meiste. Ich hatte gesehen, wie die Frau, die ich anbetete, mein Fels in der Brandung, dahinwelkte. Ich hatte gesehen, wie das Licht in ihren Augen trüber wurde. Ich hatte den Tod in ihr gerochen, in der Frau, die
nach Flieder geduftet hatte, als ich sie an einem regnerischen Nachmittag im Freien geliebt hatte. Und am Ende hatte ich es nicht mehr ausgehalten. Ich hatte nicht zusehen können, wie auch der letzte Funke erlosch. Ich war eingeknickt. Es war der schlimmste Augenblick meines Lebens gewesen. Ich war eingeknickt und vor dieser Situation geflohen, so dass meine Jane ohne mich gestorben war. Greta hatte Recht. Ich hatte meinen Posten vorzeitig verlassen. Schon wieder. Ich werde nie darüber hinwegkommen – und diese Schuldgefühle waren tatsächlich der Auslöser für die Gründung von JaneCare

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