Grabesdunkel
hatte.
Sie ist vorsichtig geworden, dachte Joakim. In der Regel blieb sie cool, wenn es galt, journalistische Entscheidungen zu fällen, doch jetzt schien sie nervös.
»Bagatellisier das Ganze nicht. Meine Quelle ist sich sicher, und ich werde Beweise erbringen«, antwortete Joakim barsch.
Hoff sah ihn forschend an. »Wir sind schon einmal davon ausgegangen, dass du Beweise hast. Der Chefredakteur hätte dich am liebsten gefeuert, als du das letzte Mal über Hellvik geschrieben hast. Das Klima in der Redaktion ist nicht gerade so, dass du dich jetzt näher damit befassen solltest.«
Joakim erhob sich verärgert. Katarina Hoff erteilte ihm eine letzte Ermahnung, diesmal in erheblich milderem Tonfall: »Joakim, du bist davon besessen, Hellvik dranzukriegen. Das kann gewaltige Konsequenzen haben. Ich muss dich bitten, der Sache nicht weiter nachzugehen.«
Joakim schluckte. Er wollte sich die Möglichkeit einer Revanche nicht entgehen lassen. Deshalb erzählte er ihr auch nichts von der Absprache, die er mit Feng getroffen hatte, sich nämlich noch am selben Tag mit einem von Hellviks Opfern zu treffen. Fridtjof Feng hatte ihm nicht den Namen des Mannes genannt, sondern nur Treffpunkt und Uhrzeit: Festung Akershus, zwölf Uhr.
Joakim hatte noch zehn Minuten und lief die Anhöhe zu dem wuchtigen Bauwerk hoch. Sie hatten verabredet, sich oben bei den Salutkanonen zu treffen. Er war auÃer Atem, als er dort ankam, nicht vor Anstrengung, sondern vor Spannung. Niemand war zu sehen. Keine Besucher und keine Touristen. Joakim lehnte sich an einen der Bäume und starrte auf den Fjord hinaus.
»Sind Sie von Nyhetsavisen?«
Die Stimme kam von hinten. Joakim drehte sich um und erblickte einen Mann, der von einem groÃen, schwarzen Regenschirm halb verdeckt war.
»Kennen Sie Feng?«
Der Mann nickte. Joakim fiel auf, dass die Hand, die den Regenschirm hielt, zitterte. Der andere ging einfach weiter. Joakim folgte ihm.
»Sie dürfen meine Identität nicht preisgeben«, flüsterte der Mann.
»Ich weië, antwortete Joakim.
»Das, was ich Ihnen erzähle, können Sie nicht schreiben.«
»Das weià ich auch.«
»Feng sagt, dass ich Ihnen vertrauen kann. Dass Sie es vielleicht schaffen, Hellvik zu Fall zu bringen.«
Der Mann hielt den Schirm so hoch, dass sie beide darunter Platz hatten. Joakim betrachtete ihn von der Seite. Er war mittelgroÃ, schlank, hatte dunkles Haar, ein schmales Gesicht und braune Augen mit dichten Wimpern, die ihm ein beinahe feminines Aussehen verliehen. Er schien nur wenige Jahre älter als Joakim zu sein. Ein dunkler Mantel, unter dem Joakim einen Blick auf einen noch dunkleren Anzug und einen eisblauen Schlips erhaschte. Die Kleidung wirkte exklusiv. Vielleicht arbeitete der Mann unten in Aker Brygge, der Ziegelsteinhochburg des Kapitalismus, wo alle, von den groÃen Finanzakrobaten bis hin zu den Kleinsparern und Amateuren, wie die Verrückten schufteten, getrieben von Geldgier und Leidenschaft.
»Was ist passiert?«, fragte Joakim.
»Die Abteilung für Wirtschaftskriminalität hat Mittwoch vor drei Wochen zu mir Kontakt aufgenommen. Sie wussten, dass ich bei Hellviks Fjellslott-Investitionen viel Geld verloren habe. Ich habe mich für den nächsten Tag mit ihnen verabredet. Ich hatte Unterlagen gesammelt. Ich wusste mehr als die meisten anderen über Hellviks Geschäfte. Ich wollte Ihnen alles geben â¦Â«
Der Mann verstummte.
»Meine Frau hat ihn zuerst bemerkt. Ich bin davon aufgewacht, dass sie mitten in der Nacht geschrien hat. Er stand im Schlafzimmer, in unserem Haus. Er hat sie an den Haaren aus dem Bett gezogen. Dann hat er sie mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen, viele, viele Male. Herrgott noch mal, was hätte ich denn tun sollen? Die Kinder schliefen in der Etage darüber.«
»Hat er etwas gesagt?«
»Dass ich den Mund halten soll. Er wusste, dass ich mich am nächsten Tag mit den Leuten von der Abteilung für Wirtschaftskriminalität treffen wollte. Er hat gesagt, dass er erfahren wird, wenn ich etwas ausplaudere. Dass er kommen und uns umbringen wird, wenn ich nicht tue, was er sagt.«
»Hat er Sie verletzt?«
Der Mann kniff den Mund fest zusammen, während er den Kopf schüttelte. Sein Gesicht war dunkel vor machtloser Wut. »Er hat meine Frau misshandelt.« Jetzt weinte er. »Der Mann hat ihr den Schädel
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