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Grabesdunkel

Grabesdunkel

Titel: Grabesdunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Beverfjord
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zertrümmert. Im Bett. Direkt neben mir. Was hätte ich denn tun können? Sie liegt noch immer im Krankenhaus.«
    Der Mann bedeckte das Gesicht mit der rechten Hand. Sein Körper zitterte bei jedem Schluchzer. Joakim legte ihm tröstend den Arm um die Schultern und wartete, bis er sich wieder beruhigt hatte.
    Â»Er wusste, wann ich mich mit der Abteilung für Wirtschaftskriminalität treffen wollte. Diese Leute haben Kontakte.«
    Â»Und Sie haben den Mund gehalten, als man Sie befragt hat?«
    Â»Ich habe so getan, als wüsste ich nicht mehr als das, was sie ohnehin schon wussten.«
    Joakim nickte zu einer Bank hinüber. Sie setzten sich auf das nasse Holz.
    Â»Wie hat er ausgesehen?«
    Â»Er war groß. Größer als Sie und sehr viel breiter. Er hatte dunkelblondes Haar und helle Augen, aber ich glaube nicht, dass er Norweger war. Er hat Norwegisch mit Akzent gesprochen.«
    Â»Noch etwas anderes? Irgendwelche Kennzeichen?«
    Der Mann zögerte.
    Â»Nichts? Keine Narben? Oder andere Merkmale?«, bohrte Joakim nach.
    Â»Nein … oder vielleicht doch: Er hatte ein Muttermal neben dem rechten Auge«, antwortete der Mann. »Oder neben dem linken? Ich kann mich nicht so genau erinnern.«
    Joakim seufzte und fragte weiter: »Irgendeine Idee, wo er her gewesen sein könnte?«
    Â»Aus Osteuropa vielleicht? Keine Ahnung.«
    Der Mann erhob sich und sah sich nervös um.
    Â»Ich gehe jetzt. Sie bleiben hier, bis ich weg bin. Feng hat gesagt, dass Sie zuverlässig sind«, wiederholte er, als kämen ihm plötzlich Zweifel.
    Â»Ich bin zuverlässig. Sie haben nie mit mir gesprochen«, erwiderte Joakim.

Kapitel 16
    Auf dem Weg zurück in die Akersgate erhielt Joakim einen Anruf von Rechtsanwalt Martin Tollefsen. Er konnte ihm berichten, dass er seinen Mandanten überredet hatte, sich mit Joakim zu treffen. Inzwischen war es eins, und Joakim spazierte zu Tollefsens Kanzlei. Dort wartete Professor Kato Zetterstrøm auf ihn. Der Mann, der Joakim die Hand reichte, machte einen gehetzten Eindruck. Er war kreidebleich. Über dem schlanken, sehnigen Oberkörper trug er ein dünnes weißes Hemd. Auf seiner Nase saß eine eckige modische Brille.
    Â»Schrecklich, was mit Helle passiert ist«, begann er.
    Joakim nickte. Er empfand kein Mitleid mit dem Mann, der ihm gegenüberstand. Er mochte schuldig sein, er mochte unschuldig sein. Alle Möglichkeiten waren offen.
    Â»Wie gut haben Sie Helle gekannt?«
    Der Professor sah unruhig zu seinem Anwalt hinüber, der sich gerade eine Zigarette anzündete. Tollefsen nickte.
    Â»Ich habe sie sehr gut gekannt. Helle war ein Mädchen mit vielen Problemen. Sie ist irgendwann nach Vorlesungsende im Hörsaal geblieben. Anfangs wollte sie nur meinen fachlichen Rat. Nach und nach hat sie sich mir dann anvertraut«, erzählte Zetterstrøm.
    Â»Was hat sie Ihnen anvertraut?«
    Â»Sie war deprimiert. Sie trug eine schwere emotionale Last mit sich herum. Ich komme mir wie ein Verräter vor, wenn ich das weitererzähle.«
    Â»Ich muss nicht alles schreiben«, antwortete Joakim.
    Zetterstrøms Augen wurden feucht. Er hielt die Hände im Schoß verschränkt. Er dachte nach, überlegte wahrscheinlich, wie viel er erzählen sollte. Joakim hielt den Atem an, wusste, dass es nichts nützen würde, ihn zu drängen. Zetterstrøm wischte sich über die Augen hinter den eckigen Brillengläsern.
    Â»Sie hat mir erzählt, dass sie in ihrer Kindheit missbraucht worden ist, von ihrem eigenen Großvater. In den Schulferien wurde Helle immer zu den Großeltern geschickt, die auf KrÃ¥kerøy bei Fredrikstad wohnten, während ihre Eltern in Oslo gearbeitet haben. Dort ist es zu den Übergriffen gekommen. Sie begannen, als Helle acht, neun Jahre alt war. Die Großmutter hatte psychische Probleme, sie war tablettenabhängig. Deshalb hat sie nachts tief geschlafen und nicht mitbekommen, was ihr Mann so trieb.«
    Â»Lebt er noch?«
    Â»Nein, der Großvater ist gestorben, als Helle sechzehn war. Erst da hat es aufgehört. Sie hat sich nie gegen ihn zur Wehr gesetzt. Sie war total kaputt, konnte mit Jungen in ihrem Alter nichts anfangen.«
    Â»Und da haben Sie ihr geholfen, indem Sie ihr Sex mit einem verheirateten Mann geboten haben, der dreimal so alt war wie sie?«
    Joakim ärgerte sich über sich selbst. Der Satz war ihm einfach

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