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Grabesdunkel

Grabesdunkel

Titel: Grabesdunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Beverfjord
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konstatierte, dass die Leute erschrocken wegguckten und weiterredeten. Dann blickte er seine Tochter an und zuckte zusammen. Diesen Ausdruck kannte er nur zu gut. Diese Mischung aus Furcht und Hass. Es war der gleiche Ausdruck, mit dem er als Kind seinen Vater angesehen hatte, wenn der die Besinnung verloren und seinen Gürtel aus der Hose gezogen hatte. Das schlechte Gewissen, das ihn so oft zerriss, meldete sich erneut.
    Â»Irene, entschuldige. Irene.«
    Sie antwortete nicht und entzog sich seinem Blick.

Kapitel 24
    Am frühen Nachmittag erhielt Agnes einen Anruf von Esters Mutter. Sie stellte sich als Vivi Tidemann Pedersen vor. Ihre Stimme war leise. Sie streifte die Konsonanten nur. Als hätte sie Angst, dass etwas zerbrechen könne.
    Â»Sie haben meine Tochter interviewt, als Helle gefunden wurde, oder?«
    Â»Ja, genau.«
    Â»Ester wollte gestern nach Hause kommen. Und jetzt können wir sie nicht erreichen. Bei der Polizei heißt es, dass sie noch abwarten wollen, bevor sie etwas unternehmen.«
    Die Stimme der Mutter brach.
    Â»Wissen Sie, ich habe so ein furchtbar schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache«, fuhr sie nach einiger Zeit fort.
    Â»Ich habe gestern mit ihr gesprochen, erreiche sie aber auch nicht mehr. Wir kommen zu Ihnen raus«, sagte Agnes.
    In der Bildredaktion war bis auf Rasmus Sender niemand. Er saß gerade in der Dunkelkammer und bearbeitete ein paar Fotos.
    Â»Frag nicht, komm einfach mit«, meinte Agnes.
    Auf dem Weg hinunter in die Tiefgarage rief sie Joakim an und bat ihn, unten auf sie zu warten. Rasmus holte in der Zwischenzeit das Auto.
    Â»Wo fahren wir hin?«, fragte er, als alle drei im Wagen saßen.
    Â»In den Persvei in Asker. Wir fahren zu Esters Eltern.«
    Als sie eintrafen, war nur Vivi Tidemann Pedersen zu Hause. Sie hatte verweinte Augen, und Agnes meinte sogar, eine leichte Alkoholfahne zu riechen, als sie sie ins Haus führte. Das Gebäude war groß, und den Materialien nach zu urteilen, musste es ein kleines Vermögen gekostet haben. Die Diele war komplett mit dunklem Holz verkleidet. Das Wohnzimmer lag im ersten Stock und war von Designermöbeln geprägt. Auf dem Weg nach oben sah Agnes drei Porträts von Ester und ihren Brüdern, wie sie annahm. Ein teures, phantasielos eingerichtetes Haus, dachte Agnes. Der Versuch, sich Geschmack zu erkaufen, war fehlgeschlagen, dieses Zuhause hatte keine Seele.
    Â»Mein Mann musste leider kurz ins Büro«, erklärte Vivi Tidemann Pedersen entschuldigend, als würde sie bedauern, dass er sich nicht ebensolche Sorgen um die Tochter machte wie sie.
    Agnes und Joakim nahmen auf dem Ledersofa Platz. Es war überraschend unbequem. Die harten Kissen wurden von dünnen Stahlrohren eingerahmt. Rasmus Sender setzte sich ans Fenster.
    Â»Wann haben Sie zuletzt mit Ester gesprochen?«, begann Joakim.
    Â»Gestern Nachmittag. Sie ist zu uns nach Hause gezogen, nachdem man Helle ermordet aufgefunden hatte. Sie hat gesagt, dass sie nie mehr in der Wohnung in der Jacob Aalls gate wohnen kann.«
    Ihre Lippen bebten beim Sprechen.
    Agnes räusperte sich. »Bei ihrem Anruf gestern Abend hat sie irgendwas davon gesagt, dass sie untertauchen muss. Hat sie Ihnen gegenüber auch etwas in der Richtung erwähnt?«
    Vivi schüttelte den Kopf. »Ester war die letzten Tage sehr deprimiert, doch davon hat sie nichts gesagt. Wo sollte sie auch hin? Und warum? Ich verstehe nicht, warum die Polizei nicht bereits nach ihr sucht. Ihre beste Freundin ist umgebracht worden, da draußen läuft ein Mörder herum, und Ester ist spurlos verschwunden.«
    Â»Hat Ester schon früher einmal an Depressionen gelitten, oder war sie psychisch labil?«, fragte Joakim.
    Die Mutter erblasste kurz. »Ja. Aber das war nur eine dumme Lappalie und ist lange her. Sie ist nicht … sie ist nicht so, dass sie sich umbringen würde, wenn es das ist, was Sie meinen.«
    Â»Ich wollte mich nur vergewissern. Was könnten wir denn Ihrer Meinung nach beitragen?«, fragte er dann.
    Â»Ich will, dass Sie groß über ihr Verschwinden berichten. Ich habe nicht die Zeit, zu warten, bis die Polizei sich endlich darum kümmert!«
    Die letzten Worte schrie sie heraus. Die Frustration über die Polizei schien sie furchtbar aufzuregen. Sie griff nach einem der Zierkissen und drückte es an sich. Die perfekte Fassade, die gestylte Frisur, die Perlenkette, die Ohrringe und

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