Grabesdunkel
deformiert, zu oft gebrochen, meistens beim Training, hin und wieder auf der StraÃe. Joakim wusste, dass er einmal einen Menschen getötet hatte â einen Mann, im Drogenrausch auf einem Fest. AuÃerdem war bekannt, dass Otto seine Gefängnisstrafe dazu benutzt hatte, clean zu werden, zu trainieren und Kampfsport zu erlernen. Nach seiner Entlassung hatte er mit anderen zusammen das TT gegründet.
Otto hatte Joakim diverse Male geholfen. Seine Motive glichen denen der meisten anderen, die Informationen an die Presse weitergaben: Sie wollten sich wichtig fühlen, wollten Macht und die Kontrolle über das, was geschrieben wurde. Joakim versuchte, den Gedanken zu verdrängen, doch er war sich sehr wohl darüber im Klaren, dass es manchen Tätern einen gewissen Kick gab, wenn sie lesen konnten, was sie getan hatten, wenn die Zeitungen über Gewaltverbrechen berichteten. Sie schnitten die Artikel aus oder schrieben sie ab, sammelten sie wie kleine Trophäen. Es war total verrückt.
Otto führte ihn in das, was er sein »Büro« nannte, einen kleinen, gelb gestrichenen Raum mit nackten Betonwänden ganz hinten in den Klubräumen. An der Wand stand ein alter Kiefernschreibtisch, auÃerdem gab es drei Plastikstühle, zwei rote und einen schwarzen. Die Wände waren mit harter Pornografie, Kampfsportbildern und Zeitungsausschnitten über Gewaltverbrechen zugekleistert. Joakim wunderte sich immer wieder über dieses Milieu. In seiner Welt diskutierte man das Recht der Frau auf Führungspositionen und das der Männer auf längere Elternzeit. In dieser Welt hingegen waren Frauen nur eine Handelsware und Gewalt ein Vergnügen.
Otto setzte sich an den Schreibtisch, schob Joakim mit dem Fuà den schwarzen Stuhl hin und holte eine Dose mit Schnupftabak aus der Tasche seiner Jogginghose.
»Okay, was willst du?«, begann er, während er Joakim die Dose hinhielt.
Joakim wollte nicht unhöflich erscheinen, also steckte er zwei Finger in das schwarze Zeug und nahm eine Prise. Sofort wurde ihm schwindelig. Er räusperte sich und fragte: »Wer arbeitet als Geldeintreiber für Hans Adler Hellvik?«
Ottos Hand, in der er die runde Dose hielt, zuckte so stark, dass etwas vom Inhalt auf dem Boden landete. Er fluchte und schob die Schnupftabakkrümel mit dem Schuh beiseite. Dann stand er auf, holte eine halb volle Cola aus dem Kühlschrank, setzte sich wieder hin und wartete â so lange, dass Joakim sich schlieÃlich genötigt sah, seine Frage zu wiederholen.
»Ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden«, sagte Otto. »Aber da willst du ganz bestimmt nicht reingezogen werden.« Er trank die Cola mit einem einzigen langen Schluck aus.
»Ich muss aber wissen, wer«, sagte Joakim entschlossen.
»Keine Namen.«
»Okay, keine Namen. Aber Hinweise.«
Otto rieb sich die Augen.
»Bulgaren?«, hakte Joakim nach. Die Nationalität würde ihm weiterhelfen. Er wusste, dass zurzeit mehrere Bulgaren im Schlägermilieu unterwegs waren.
Otto schüttelte den Kopf. »Serben«, sagte er leise.
»Kennen wir die schon, oder sind die neu?«, fragte Joachim.
Ottos Gesichtsmuskeln waren jetzt stark angespannt.
»Die sind alles andere als neu«, antwortete er.
Kapitel 22
Als er wieder auf der StraÃe stand, wählte Joakim die Nummer einer alten Bekannten, Aida Isabegovic. Sie hatten sich vor vielen Jahren auf einer Demonstration für Kirchenasylanten kennengelernt. Seitdem pflegten sie sporadischen Kontakt. Aida stammte ursprünglich aus Bosnien und war im Herbst 1995 zusammen mit ihrer Mutter als Flüchtling nach Norwegen gekommen. Da war sie siebzehn gewesen. Ihr Vater und ihr Bruder lagen in einem der zahlreichen Massengräber in Bosnien. Später war sie Mitglied eines internationalen Netzwerks geworden, dessen Hauptaufgabe es war, Kriegsverbrecher ausfindig zu machen. Sie wusste fast alles über die Exjugoslawen in Norwegen.
»Joakim!«, rief sie. »Das ist ja eine Ewigkeit her. Was kann ich für dich tun?«
»Ich suche ein paar Serben, die als Schläger für den Finanzier Hans Adler Hellvik arbeiten.«
»Aha. Was weiÃt du noch?«
»Der eine ist groÃ, über eins neunzig und ziemlich breit. Er soll struppiges dunkelblondes Haar und helle Augen haben. Ãber die anderen weià ich nichts. Ich denke, dass es sich um Kriegsverbrecher handeln könnte,
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