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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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nicht.«
    Sie hob eine Augenbraue. »Da hatte ich gestern aber einen ganz anderen Eindruck.«
    »Apropos«, sagte ich ein wenig verlegen, »weißt du zufällig, ob er Beschwerde gegen mich eingereicht hat? Ich trau mich nicht, das zu checken.«
    »Weil du dich so nett entschuldigt hast«, sagte Cassie, »will ich dich mal beruhigen. Mir gegenüber hat er nichts erwähnt, und wenn er Beschwerde eingereicht hätte, wüsstest du es längst: Man würde O'Kelly bis Knocknaree brüllen hören. Deshalb nehm ich übrigens auch an, dass Cathal Mills sich nicht über mich beschwert hat, weil ich gesagt hab, er hätte einen kleinen Pillermann.«
    »Das macht er nicht. Kannst du dir ernsthaft vorstellen, er kommt ins Präsidium und erklärt vorne am Empfang, du hättest ihm einen schlaffen Minischwanz unterstellt? Aber das mit Devlin ist eine andere Geschichte. Er ist zurzeit ohnehin ziemlich durchgeknallt –«
    »Kein böses Wort über Jonathan Devlin«, sagte Sam, der ins Büro gefegt kam. Er war rot im Gesicht und völlig aufgedreht, sein Kragen war verrutscht, und eine blonde Locke fiel ihm ins Gesicht. »Devlin ist der Größte. Ehrlich, wenn ich nicht befürchten würde, er könnte es falsch verstehen, würde ich ihn abknutschen.«
    »Ihr wärt ein schönes Paar«, sagte ich und legte meinen Stift hin. »Was hat er gemacht?« Cassie wirbelte mit ihrem Drehstuhl herum, und ein erwartungsvolles Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.
    Sam zog schwungvoll seinen Stuhl hervor, ließ sich daraufsinken und legte die Füße auf den Tisch wie ein Privatdetektiv in einem alten Film. Hätte er einen Hut gehabt, dann hätte er ihn quer durch den Raum segeln lassen. »Er hat Andrews bei dem Stimmenvergleich identifiziert. Andrews und sein Anwalt haben sich mit Händen und Füßen gewehrt, und Devlin war auch nicht gerade begeistert, von mir zu hören – was zum Teufel habt ihr denn mit ihm angestellt? –, aber am Ende haben alle mitgemacht. Ich hab Devlin angerufen. Dann hab ich Andrews und ein paar von den Jungs gebeten, Sätze aus den Telefonanrufen zu sagen: ›Nettes kleines Mädchen hast du da‹, ›Du hast keine Ahnung, mit wem du dich anlegst‹ ...«
    Er schob sich die Locke mit dem Handballen aus der Stirn. Er strahlte übers ganze Gesicht wie ein kleiner Junge. »Andrews hat gemurmelt und genuschelt und so, damit seine Stimme anders klang, aber mein Held Jonathan hat ihn sofort erkannt, ohne Probleme. Er hat durchs Telefon gebrüllt, wollte von mir wissen, wer der Typ ist, und Andrews und sein Anwalt – ich hatte Devlin auf laut gestellt, damit sie mithören konnten und es hinterher keine Debatten gibt –, die saßen da und guckten ziemlich blöd aus der Wäsche. Es war herrlich.«
    »Ha, gut gemacht«, sagte Cassie, lehnte sich über den Tisch und schlug ihm klatschend in die erhobene Hand. Sam grinste und hielt mir die andere Hand hin.
    »Ehrlich gesagt, ich bin ganz begeistert von mir selbst. Es reicht noch lange nicht für eine Mordanklage, aber wir können ihn wahrscheinlich wegen Belästigung drankriegen. Und es reicht auf alle Fälle, um ihn zu vernehmen, mal sehen, wie weit wir kommen.«
    »Hast du ihn dabehalten?«, fragte ich.
    Sam schüttelte den Kopf. »Ich hab gar nichts gesagt, sondern mich bloß bedankt und gesagt, ich würde mich melden. Der soll sich ruhig ein Weilchen Sorgen machen.«
    »Oh, wie hinterhältig, O'Neill«, sagte ich trocken. »Das hätte ich nicht von dir gedacht.« Es machte Spaß, Sam zu ärgern. Er fiel zwar nicht immer drauf rein, aber wenn, dann wurde er ganz ernst und stotterig.
    Er warf mir einen vernichtenden Blick zu. »Und ich will außerdem sehen, ob ich die Genehmigung kriege, sein Telefon ein paar Tage lang abhören zu lassen. Wenn er unser Mann ist, würde ich wetten, dass er es nicht selbst getan hat. Er hat für die Tatzeit ein Alibi, und er ist nicht der Typ, der sich mit schmutziger Arbeit die schicke Garderobe versaut. Er würde jemanden beauftragen. Vielleicht hat ihn die Stimmenidentifizierung so in Panik versetzt, dass er seinen Auftragskiller anruft oder sich wenigstens bei irgendwem verplappert.«
    »Überprüf auch nochmal seine alten Telefonlisten«, schlug ich vor. »Sieh nach, mit wem er im letzten Monat alles telefoniert hat.«
    »Hab O'Gorman schon drauf angesetzt«, sagte Sam selbstgefällig. »Ich lass Andrews ein oder zwei Wochen Zeit, mal sehen, ob sich was ergibt, und dann kassier ich ihn ein. Und« – er blickte auf einmal verschämt, eine

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