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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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gekommen. Ich ließ meinen Wagen, wo er war, und ging zu Fuß zur Arbeit. Die Parkuhr hatte ich mit einer Stange Geld füttern müssen, aber ein so sonniger Gute-Laune-Tag ermuntert ja förmlich zur Verschwendung.
    Cassie saß bereits mit einem Aktenberg an ihrem Schreibtisch. Sam und die Fahnder waren zum Glück nirgends zu sehen. »Morgen«, sagte sie und sah mich warnend an.
    »Bitte sehr«, sagte ich und stellte die beiden Einkaufstüten vor sie hin.
    »Was ist das?«, fragte sie misstrauisch.
    »Das«, sagte ich und zeigte auf das Kaffeegerät, »ist dein verspätetes Weihnachtsgeschenk. Und das da ist eine Entschuldigung. Es tut mir schrecklich leid, Cass – nicht nur das gestern, sondern mein ganzes Verhalten in den letzten Wochen. Ich hab mich richtig bescheuert benommen, und du hast wirklich allen Grund, wütend auf mich zu sein. Aber ich verspreche dir hoch und heilig, das ist vorbei. Ab sofort bin ich ein normaler, zurechnungsfähiger, völlig unschrecklicher Mensch.«
    »Das wäre das erste Mal«, sagte Cassie automatisch, und meine Stimmung stieg. Sie schlug das Buch auf – sie liebt Emily Brontë – und strich mit den Fingern über das Titelblatt.
    »Verzeihst du mir? Ich gehe auf die Knie, wenn du möchtest. Ernsthaft.«
    »Das würde ich gern mal erleben«, sagte Cassie, »aber wenn dich dabei jemand sieht, kocht hier die Gerüchteküche über. Ryan, du kleiner Mistkerl. Ich war so schön sauer auf dich, und jetzt hast du mir alles verdorben.«
    »Das hättest du sowieso nicht durchgehalten«, sagte ich ungemein erleichtert. »Spätestens in der Mittagspause wärst du eingeknickt.«
    »Leg es nicht drauf an. Komm her, du.« Sie streckte mir einen Arm entgegen, und ich bückte mich und umarmte sie kurz. »Danke.«
    »Gern geschehen«, sagte ich. »Und ich mein das ernst: Schluss mit den Aussetzern.«
    Cassie beobachtete mich, während ich meinen Mantel auszog. »Hör mal«, sagte sie, »dass du dich unmöglich benommen hast, ist ja nicht alles. Ich hab mir auch Sorgen um dich gemacht. Wenn du dich nicht mehr damit befassen willst – nein, lass mich ausreden –, dann könntest du mit Sam tauschen, dich um Andrews kümmern, und er übernimmt die Familie. So weit, wie er inzwischen in der Sache ist, könnte jeder von uns übernehmen. Schließlich sind wir nicht auf die Hilfe von seinem Onkel angewiesen oder so. Es besteht kein Grund, dich von diesem Fall fertigmachen zu lassen.«
    »Cassie, ich komme wirklich klar, Ehrenwort«, sagte ich. »Das gestern hat mir echt die Augen geöffnet. Ich schwöre bei allem, was du dir denken kannst, dass ich jetzt weiß, wie ich den Fall in den Griff kriege.«
    »Rob, weißt du noch, was du zu mir gesagt hast? Dass ich dir einen Tritt geben soll, wenn du zu komisch wirst? Genau das tue ich jetzt. Ich geb dir einen Tritt. Vorläufig noch bildlich.«
    »Na schön, lass mir noch eine Woche Zeit. Wenn du Ende nächster Woche immer noch meinst, ich schaff das nicht, tausche ich mit Sam. Okay?«
    »Okay«, sagte Cassie schließlich, obwohl sie nicht ganz überzeugt wirkte. In meiner guten Stimmung fand ich diesen unerwarteten Anflug von Fürsorge, der mich unter normalen Umständen nervös gemacht hätte, geradezu rührend. Wahrscheinlich weil ich wusste, dass sie nicht mehr erforderlich war. Auf dem Weg zu meinem Schreibtisch tätschelte ich Cassie ein wenig linkisch die Schulter.
    »Eigentlich«, sagte sie, als ich mich hinsetzte, »hat diese ganze Sandra-Scully-Sache auch ihr Gutes. Wir haben doch überlegt, wie wir an die ärztlichen Unterlagen von Rosalind und Jessica rankommen, nicht? Also, bei Katy wurden körperliche Anzeichen von Missbrauch nachgewiesen, bei Jessica sind psychische Anzeichen feststellbar, und Jonathan hat die Vergewaltigung zugegeben. Ich glaube, das müsste für eine Herausgabe der Unterlagen reichen.«
    »Maddox«, sagte ich, »du bist eine Wucht.« Bis dahin hatte das beschämende Gefühl an mir genagt, mich blamiert zu haben, weil ich uns auf eine falsche Spur geführt hatte. Aber anscheinend war das Ganze doch nicht ganz sinnlos gewesen. »Ich dachte, du glaubst nicht, dass Devlin unser Mann ist.«
    Cassie zuckte mit den Schultern. »Nicht direkt. Er verbirgt irgendwas, aber vielleicht ja nur den Missbrauch – na ja, nicht nur , du weißt schon, wie ich das meine –, oder er deckt Margaret oder ... ich bin nicht so sicher wie du, dass er schuldig ist, aber ich möchte sehen, was in den Unterlagen steht.«
    »Sicher bin ich mir auch

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