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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Türglocke. O'Kelly hielt uns Übrigen seine Tüte mit Süßigkeiten hin. Als keiner sich bediente, zuckte er die Achseln und angelte ein Karamellbonbon heraus.
    Das Klicken, als die Tür aufging. »Detective Maddox«, sagte Rosalind und klang wenig erfreut. »Wir haben leider im Moment gar keine Zeit.«
    »Ich weiß«, sagte Cassie. »Tut mir leid, dass ich störe. Aber könnte ich ... könnte ich wohl kurz mit Ihnen reden?«
    »Sie hätten neulich im Präsidium mit mir reden können. Stattdessen haben Sie mich beleidigt und mir den Abend verdorben. Ich hab keine Lust, noch mehr Zeit mit Ihnen zu vergeuden.«
    »Das tut mir auch furchtbar leid. Aber es geht hier nicht um den Fall. Ich ... ich muss Sie was fragen.«
    Schweigen. Ich stellte mir Rosalind vor, wie sie die Tür offen hielt und Cassie taxierte. Cassies Gesicht hochgereckt und angespannt, ihre Hände tief in den Taschen der Wildlederjacke. Im Hintergrund rief Margaret etwas. Rosalind erwiderte barsch: »Es ist für mich, Mum«, und die Tür knallte zu.
    »Also?«, fragte Rosalind.
    »Könnten wir ...« Ein Rascheln: Cassie, die nervös von einem Bein aufs andere trat. »Könnten wir vielleicht einen kleinen Spaziergang machen oder so? Die Sache ist eher privat.«
    Das musste Rosalinds Interesse geweckt haben, aber ihre Stimme klang unverändert. »Ich muss zur Schule.«
    »Nur fünf Minuten. Wir können hinten um die Siedlung herumgehen oder so ... Bitte, Miss Devlin. Es ist wichtig.«
    Schließlich seufzte sie. »Na gut. Ein paar Minuten kann ich erübrigen.«
    »Danke«, sagte Cassie, »vielen Dank«, und wir hörten sie den Gartenweg hinuntergehen, das rasche, entschlossene Klappern von Rosalinds Absätzen.
    Es war ein schöner Morgen, ein milder Morgen. Die Sonne vertrieb den letzten Nebel der Nacht, doch als wir in den Van gestiegen waren, hatten noch dünne Schwaden auf dem Gras gelegen und den hohen, kühlen Himmel verschleiert. Die Lautsprecher verstärkten das Amselgezwitscher und dann, als Cassie und Rosalind aus der Siedlung heraus waren, das Wispern ihrer Schuhe im nassen Gras am Waldrand. Ich stellte mir vor, wie schön sie einem morgendlichen Spaziergänger erscheinen mochten: Cassie windzerzaust und geschmeidig, Rosalind weiß flatternd und schlank wie aus einem Gedicht. Zwei junge Frauen an einem Septembermorgen, schimmernde Köpfe unter frühherbstlichen Blättern, Kaninchen, die vor ihnen davonflitzten.
    »Kann ich Sie was fragen?«, sagte Cassie.
    »Na, ich dachte, deshalb sind wir hier«, sagte Rosalind betont.
    »Ja. Tschuldigung.« Cassie holte tief Luft. »Okay. Mich würde interessieren, woher wussten Sie das mit ...?«
    »Ja?«, drängte Rosalind höflich.
    »Das mit mir und Detective Ryan.« Schweigen. »Das wir ... eine Affäre haben.«
    »Ach das!« Rosalind lachte: ein heller Klang, emotionslos, fast ohne jeden Triumph. »Ach, Detective Maddox. Was glauben Sie denn, woher?«
    »Ich hab gedacht, Sie haben es wahrscheinlich erraten. Oder so. Dass wir es vielleicht nicht so gut verborgen haben, wie wir glaubten. Aber ich ... würd’s einfach gern wissen.«
    »Na, ein bisschen auffällig habt ihr zwei euch schon verhalten, nicht?« Schelmisch, neckisch. »Aber nein. Ob Sie’s glauben oder nicht, Detective Maddox, ich denke nicht besonders viel über Sie und Ihr Liebesleben nach.«
    Wieder Schweigen. O'Kelly pulte einen Karamellrest zwischen den Zähnen hervor. »Woher dann?«, sagte Cassie schließlich mit einem entsetzlich furchtsamen Ton.
    »Detective Ryan hat es mir natürlich erzählt«, sagte Rosalind zuckersüß. Ich spürte, wie Sams und O’Kellys Augen zu mir huschten, und biss mir auf die Wange, um den Impuls zu unterdrücken, es abzustreiten.
    Ich gebe es nur ungern zu, aber erst in diesem Augenblick, als ich diese leichtfertige Lüge hörte, begriff ich endgültig, dass Rosalind – die Rosalind, die ich gekannt hatte, die verletzte, die einnehmende, sprunghafte Rosalind, mit der ich in der Bar vom Central Hotel gelacht und auf einer Bank im Park Händchen gehalten hatte – nie existiert hatte. Alles, was sie mir je gezeigt hatte, war auf Wirkung hin kalkuliert gewesen, sorgsam durchdacht wie das Kostüm einer Schauspielerin. Unter den zahllosen schimmernden Schleiern verbarg sich etwas so Einfaches und Tödliches wie ein rostiger Nagel.
    »Das ist verdammter Schwachsinn!« Cassies Stimme bebte. »Er würde nie im Leben verraten –«
    »Nicht in dem Ton«, fauchte Rosalind.
    »Tut mir leid«, sagte Cassie,

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