Grabesgrün
kleinlaut. »Ich war bloß – ich hätte nie gedacht, dass er es irgendwem erzählen würde. Niemals.«
»Tja, hat er aber. Sie sollten besser aufpassen, wem Sie vertrauen. War das alles, was Sie von mir wollten?«
»Nein. Ich muss Sie um einen Gefallen bitten.« Bewegung: Cassie, die sich mit einer Hand durchs Haar fuhr oder übers Gesicht. »Es ist gegen die Vorschriften, mit – mit dem Partner was anzufangen. Wenn unser Vorgesetzter dahinterkommt, könnten wir beide rausfliegen, oder wir werden degradiert und müssen wieder Streifendienst schieben. Und die Arbeit im Morddezernat bedeutet uns verdammt viel. Uns beiden. Wir haben hart geschuftet, um dahin zu kommen. Wenn wir da rausfliegen, das wäre ein schwerer Schlag für uns.«
»Das hättet ihr euch vorher überlegen sollen, oder?«
»Ich weiß«, sagte Cassie, »ich weiß. Aber wäre es vielleicht möglich, dass Sie es – na ja, für sich behalten?«
»Ich soll eure kleine Affäre decken? Meinen Sie das?«
»Ich ... ja. Genau.«
»Mir ist nicht klar, wieso Sie meinen, dass ich Ihnen einen Gefallen tun sollte«, sagte Rosalind unterkühlt. »Sie waren furchtbar unhöflich zu mir, jedes Mal, wenn wir uns gesehen haben – bis jetzt, wo Sie was von mir wollen. Ich lass mich nicht gern ausnutzen.«
»Tut mir leid, wenn ich abweisend war«, sagte Cassie. Ihre Stimme klang angespannt, zu hoch und zu schnell. »Wirklich. Ich glaube, ich hab mich, ich weiß auch nicht, irgendwie bedroht gefühlt von Ihnen ... Ich hätte das nicht an Ihnen auslassen dürfen. Dafür entschuldige ich mich.«
»Die Entschuldigung war auch angebracht, aber Schwamm drüber. Mir persönlich machen Ihre Beleidigungen nichts aus, aber wenn Sie mich so behandeln, behandeln Sie mit Sicherheit auch andere so, oder? Ich weiß nicht, ob ich jemanden schützen soll, der sich so unprofessionell verhält. Ich muss überlegen, ob es nicht meine Pflicht ist, Ihren Vorgesetzten davon in Kenntnis zu setzen, wie Sie wirklich sind.«
»So ein kleines Luder«, sagte Sam leise, ohne aufzublicken.
»Der gehören mal ordentlich die Hammelbeine lang gezogen«, brummte O’Kelly, der jetzt doch interessiert wirkte. »Wenn ich mir jemals so eine Frechheit rausgenommen hätte bei jemandem, der doppelt so alt ist wie ich ...«
»Hören Sie«, sagte Cassie verzweifelt, »es geht ja nicht nur um mich. Was ist mit Detective Ryan? Der war schließlich nie abweisend zu Ihnen, nicht? Er ist verrückt nach Ihnen.«
Rosalind lachte verschämt. »Ach wirklich?«
»Ja«, sagte Cassie. »Und wie.«
Rosalind tat so, als würde sie darüber nachdenken. »Tja ... angenommen, Sie haben ihn verführt, dann war die Affäre ja eigentlich nicht seine Schuld. Dann wäre es nicht fair, ihn deshalb leiden zu lassen.«
»Ja, das hab ich wohl.« Ich konnte die Erniedrigung, nackt und unverschleiert, in Cassies Stimme hören. »Ich war ... ja, die Initiative ging immer von mir aus.«
»Wie lange geht das schon?«
»Fünf Jahre«, sagte Cassie, »mit Unterbrechungen.« Fünf Jahre zuvor hatten Cassie und ich uns noch gar nicht gekannt, waren nicht mal im selben Teil des Landes eingesetzt, und ich begriff plötzlich, dass sie es wegen O'Kelly gesagt hatte, als Beweis dafür, dass sie log, falls er wegen uns doch noch irgendwelche Zweifel hegte, begriff zum ersten Mal, was für ein raffiniertes und zweischneidiges Spiel sie da spielte.
»Wenn ich euch decken soll«, sagte Rosalind, »müsste ich mich natürlich darauf verlassen können, dass die Sache vorbei ist.«
»Sie ist vorbei. Ich schwöre es. Er ... er hat vor zwei Wochen Schluss gemacht. Für immer diesmal.«
»Ach ja? Wieso?«
»Darüber möchte ich nicht reden.«
»Tja, leider muss ich darauf bestehen.«
Cassie holte tief Luft. »Ich weiß nicht, warum«, sagte sie. »Das ist die Wahrheit, Ehrenwort. Ich hab ihn immer wieder gefragt, aber er sagt bloß, es ist kompliziert, er ist durcheinander, er fühlt sich im Moment nicht in der Lage zu einer Beziehung – ich weiß nicht, ob er eine andere hat oder ... Wir sprechen nicht mehr miteinander. Er guckt mich nicht mal mehr an. Ich weiß nicht, was ich machen soll.« Ihre Stimme zitterte heftig.
»Na, hör sich das einer an«, sagte O’Kelly, nicht ohne Bewunderung. »Maddox hat ihre Berufung verfehlt. Hätte zur Bühne gehen sollen.«
Aber sie spielte nicht, und Rosalind spürte das. »Na«, sagte sie, und ich hörte die Häme in ihrer Stimme, »das überrascht mich ehrlich gesagt nicht. Er spricht von
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