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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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sein, die jedoch fehlen. Der andere Schlag hingegen ...« Er drehte Katys Kopf auf die andere Seite und zog mit einem gekrümmten Finger ihr Haar nach hinten. An der linken Schläfe war ein Bereich frei rasiert worden, sodass eine breite, zackige Wunde zu sehen war, aus der Knochensplitter ragten. Jemand, Sam oder Cassie, schluckte.
    »Wie Sie sehen«, sagte Cooper, »war dieser Schlag sehr viel heftiger. Er landete knapp hinter und oberhalb des linken Ohrs und verursachte einen Schädelbruch sowie ein großes subdurales Hämatom. Hier und hier« – er deutete mit dem Finger – »sind die von mir erwähnten peripheren Abschürfungen, am proximalen Rand des Auftreffpunktes: Offenbar hat sie den Kopf weggedreht, sodass die Waffe beim Aufschlag kurz über den Schädel rutschte, ehe sie ihre volle Wucht entfaltete. Drücke ich mich verständlich aus?«
    Wir nickten alle. Ich schielte heimlich zu Sam hinüber und war irgendwie erleichtert, dass er anscheinend auch zu kämpfen hatte.
    »Dieser Schlag hätte innerhalb weniger Stunden zum Tod geführt. Da das Hämatom sich aber nur sehr begrenzt ausgedehnt hat, ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass sie kurz darauf an anderen Ursachen verstarb.«
    »Können Sie sagen, ob sie in seine Richtung sah oder von ihm wegschaute?«, fragte Cassie.
    »Vermutlich war sie in einer liegenden Position, als ihr diese Verletzung zugefügt wurde: Die Blutung war erheblich, und der Blutfluss verlief über die linke Gesichtshälfte nach innen, mit deutlichen Ansammlungen um Nase und Mund.« Das war eine gute Neuigkeit, sofern es in diesem Zusammenhang überhaupt gute Neuigkeiten geben kann: Am Tatort mussten Blutspuren sein, falls wir ihn je fanden. Außerdem bedeutete das, dass wir wahrscheinlich nach einem Linkshänder suchten, und obwohl sich reale Fälle selten à la Agatha Christie durch solche Dinge klären lassen, war im Augenblick schon der kleinste Anhaltspunkt ein Fortschritt.
    »Es hat einen Kampf gegeben – vor diesem Schlag, wie ich hinzufügen möchte: Danach war sie nämlich sofort bewusstlos. An Händen und Unterarmen sind Abwehrverletzungen – Blutergüsse, Schürfwunden, an der rechten Hand drei abgebrochene Fingernägel –, die vermutlich beim Versuch, sich gegen die Schläge zu schützen, von derselben Waffe verursacht wurden.« Er hob mit Daumen und Zeigefinger ein Handgelenk an und drehte den Arm leicht, um uns die Abschürfungen zu zeigen. Ihre Fingernägel waren kurz geschnitten und schon ins Labor gebracht worden. Auf dem Handrücken war mit verblasstem Filzstift eine stilisierte Blume mit einem Smiley-Gesicht in der Mitte gemalt. »Ich habe außerdem Blutergüsse um den Mund und Zahnabdruckspuren innen an den Lippen festgestellt, also hat der Täter ihr vermutlich eine Hand auf den Mund gedrückt.«
    Draußen lamentierte eine helle Frauenstimme über irgendetwas, eine Tür knallte. Die Luft im Raum kam mir stickig und abgestanden vor, schwer einzuatmen. Cooper sah uns der Reihe nach an, aber niemand sagte etwas. Er wusste, dass wir das nicht hatten hören wollen. Bei so einem Fall hofft man stets, dass das Opfer nicht mehr mitbekam, was passierte.
    »Als sie bewusstlos war«, sagte Cooper sachlich, »wurde ihr irgendein Material, vermutlich Plastik, um den Hals gelegt und hinten im Nacken festgedreht.« Er schob ihr Kinn nach hinten: Man sah eine blasse Druckspur um den Hals, die an den Stellen, wo das Plastik Falten geworfen hatte, streifig aussah. »Wie Sie sehen, ist die Druckspur klar abgegrenzt, woraus ich schließe, dass ihr das Band erst um den Hals gelegt wurde, als sie schon bewegungsunfähig war. Es gibt jedoch keine Anzeichen für Strangulation, und ich glaube nicht, dass das Plastikband ihr die Luftzufuhr abschnitt. Dennoch ist die Todesursache eindeutig Anoxie, wie punktförmige Blutungen in den Augen und auf den Lungenlappen belegen. Meine Hypothese lautet, ihr wurde beispielsweise eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt, hinten im Nacken zugedreht und mehrere Minuten so festgehalten. Ihr Erstickungstod wurde durch die schwere Schädelverletzung nur beschleunigt.«
    »Moment«, sagte Cassie plötzlich. »Dann wurde sie also doch nicht vergewaltigt?«
    »Ha«, sagte Cooper. »Nur Geduld, Detective Maddox, dazu kommen wir jetzt. Die Vergewaltigung erfolgte post mortem und wurde mit irgendeinem Utensil durchgeführt.« Er hielt inne, genoss die Wirkung seiner Worte.
    » Post mortem?«, wiederholte ich. »Sind Sie sicher?« Natürlich war das in

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