Grabesgrün
Mark sein Tabakpäckchen heraus. »Rauchen verboten«, sagte ich.
»Was soll der Scheiß?«, fragte er. »Sie rauchen alle beide. Hab ich doch gestern gesehen.«
»Dienstwagen gelten als Arbeitsplatz. Und da darf nicht geraucht werden.« Das war nicht mal gelogen. Diesen Schwachsinn hatte sich irgendein Komitee ausgedacht.
»Ach, komm, Ryan, lass ihn doch eine rauchen«, sagte Cassie. Dann fügte sie in einem genau kalkulierten Tonfall hinzu: »Dann müssen wir wenigstens nicht alle paar Stunden Zigarettenpause machen.« Ich sah Marks erschreckte Miene im Rückspiegel. »Drehen Sie mir auch eine?«, fragte sie und wandte sich nach hinten.
»Wie lang soll das denn dauern?«, wollte er wissen.
»Kommt drauf an«, erklärte ich.
»Worauf denn? Ich weiß ja nicht mal, worum’s eigentlich geht.«
»Dazu kommen wir noch. Rauchen Sie erst mal in Ruhe eine, ehe ich es mir wieder anders überlege.«
»Wie läuft die Ausgrabung?«, fragte Cassie munter.
Marks Mundwinkel zuckten griesgrämig. »Was denken Sie wohl? Wir haben vier Wochen Zeit für die Arbeit eines ganzen Jahres. Wir haben schon Bulldozer eingesetzt.«
»Was spricht dagegen?«, fragte ich.
Er funkelte mich erbost an. »Sehen wir etwa aus wie Straßenarbeiter?«
Ich ließ die Frage unbeantwortet, und Cassie schaltete das Radio ein. Mark zündete seine Zigarette an und pustete geräuschvoll und genervt den Rauch aus dem Fenster. Es würde offensichtlich ein langer Tag werden.
Auf der Fahrt sagte ich nicht viel. Ich wusste, die Möglichkeit war nicht auszuschließen, dass hinter mir auf der Rückbank der Mörder von Katy Devlin vor sich hinschmollte, und ich wusste nicht recht, wie ich damit umgehen sollte. Natürlich hätte es mich in vielerlei Hinsicht erleichtert, wenn er der Täter wäre: Er hatte mich von Anfang an gereizt, und falls er es war, wären wir diesen unheimlichen, heiklen Fall wieder los, noch ehe er richtig angefangen hatte. Er könnte heute Nachmittag vorbei sein. Ich könnte die alte Akte wieder in den Keller bringen – Mark, der 1984 ungefähr fünf gewesen war, kam nicht als Verdächtiger in Frage –, mir meinen Klaps auf die Schulter bei O'Kelly abholen, Quigley den Fall mit den beiden Irren am Taxistand wieder abnehmen und Knocknaree einfach vergessen.
Und doch kam mir das alles irgendwie falsch vor. Zum Teil, weil es so schrecklich ernüchternd wäre, fast peinlich – ich hatte mich in den vergangenen vierundzwanzig Stunden auf alles gefasst gemacht, was dieser Fall möglicherweise mit sich bringen würde, und ich erwartete weiß Gott etwas Dramatischeres als eine Vernehmung mit anschließender Festnahme. Doch das war es nicht allein. Ich bin nicht abergläubisch, aber wenn der Anruf ein paar Minuten früher oder später eingegangen wäre oder wenn Cassie und ich nicht mit dem Computerspiel beschäftigt gewesen wären, dann hätte Costello oder sonst wer den Fall bekommen, wir jedenfalls nicht, und ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass so etwas Großes und Berauschendes bloß reiner Zufall sein sollte. Ich hatte das Gefühl, dass etwas in Bewegung geraten war, dass sich Dinge kaum wahrnehmbar, aber unwiderruflich neu ordneten, dass sich winzige unsichtbare Zahnräder in Bewegung setzten. Es mag absurd klingen, aber ich glaube, irgendetwas tief in meinem Innern wartete gespannt ab, was als Nächstes geschehen würde.
6
ALS WIR IM BÜRO ANKAMEN, hatte Cassie Mark inzwischen entlockt, dass Bulldozer nur im äußersten Notfall eingesetzt wurden, weil sie kostbare archäologische Funde zerstören konnten. Außerdem hatte sie die Kippe der Zigarette, die er für sie gedreht hatte, eingesteckt, was bedeutete, dass wir nötigenfalls auch ohne richterlichen Beschluss seine DNA mit der an den Kippen auf der Lichtung abgleichen konnten. Es war sonnenklar, wer heute den guten Cop spielen würde. Ich durchsuchte Mark (Zähneknirschen, Kopfschütteln) und brachte ihn in einen Vernehmungsraum, während Cassie unsere Liste mit den Argumenten gegen ein satanisch verseuchtes Knocknaree auf O'Kellys Schreibtisch legte.
Wir ließen Mark ein Weilchen schmoren – er lümmelte sich auf seinem Stuhl und trommelte mit den Fingern einen zunehmend gereizten Rhythmus auf dem Tisch –, ehe wir reingingen. »Da sind wir wieder«, sagte Cassie fröhlich. »Möchten Sie einen Tee oder Kaffee?«
»Nein. Ich möchte zurück an meine Arbeit .«
»Vernehmung von Mark Conor Hanly durch die Detectives Maddox und Ryan«, sprach Cassie in die
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