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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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gleichermaßen selbstgefällige Positionen am rechten Rand des Spektrums einnehmen, aber viele Leute sind leidenschaftliche Anhänger der einen oder anderen Seite, bloß weil ihre Urgroßväter im Bürgerkrieg gekämpft haben oder weil Daddy mit dem örtlichen Kandidaten Geschäfte macht und behauptet, der sei ein netter Kerl. Korruption gilt als selbstverständlich und wird sogar widerwillig bewundert: In uns steckt noch immer die Guerilla-Gerissenheit der Unterdrückten, und Steuerhinterziehung und halbseidene Geschäfte werden als Spielarten desselben rebellischen Geistes betrachtet, der einst vor den Briten Pferde und Saatkartoffeln versteckte.
    Ein gewaltiger Anteil der Korruption kreist um jene urwüchsige, klischeehaft irische Leidenschaft: Grundbesitz. Grundstücksspekulanten und Politiker sind traditionell Busenfreunde, und praktisch kein Landverkauf geht ohne Bestechungsgelder und unerklärliche Änderungen von Flächennutzungsplänen und komplizierte Finanztransaktionen über Offshore-Konten vonstatten. Es wäre schon ein kleines Wunder, wenn nicht wenigstens ein paar Gefälligkeiten für Freunde in die Planung der Knocknaree-Schnellstraße eingeflossen wären. Und wenn dem so war, dann hatte Redmond O'Neill höchstwahrscheinlich davon Kenntnis, und ebenso höchstwahrscheinlich würde er nicht wollen, dass es rauskam.
    »Nein«, sagte Sam prompt und mit Nachdruck. »Kein Problem.« Cassie und ich blickten wohl skeptisch, weil er zwischen uns beiden hin und her schaute und lachte. »Hört mal, ich kenne ihn schon mein Leben lang. Ich hab zwei Jahre bei ihm gewohnt, als ich damals nach Dublin kam. Wenn er Dreck am Stecken hätte, dann wüsste ich das. Mein Onkel ist grundanständig. Der wird uns helfen, wo er nur kann.«
    »Prima«, sagte Cassie und wandte sich wieder der Tafel zu. »Wir essen heute Abend bei mir. Kommt gegen acht, dann erstatten wir uns gegenseitig Bericht.« Auf eine unbenutzte Ecke des Bretts zeichnete sie für Sam eine Wegbeschreibung zu ihrer Wohnung auf.

    Als wir unseren SOKO-Raum einigermaßen eingerichtet hatten, trudelten die ersten Fahnder ein. O'Kelly hatte gut dreißig von ihnen organisiert, und sie waren Spitzenklasse: talentiert, hellwach, glatt rasiert und erfolgsorientiert gekleidet, alle auf dem Sprung, in gute Dezernate versetzt zu werden, sobald eine Stelle frei wurde. Sie holten Stühle und Notizblöcke hervor, begrüßten sich mit Schulterklopfen und Insider-Scherzchen und suchten sich ihre Plätze aus wie Kinder am ersten Schultag. Cassie und Sam und ich lächelten und schüttelten Hände und dankten ihnen für ihre Mitarbeit. Zwei von ihnen kannte ich – einen redefaulen dunklen Typ aus Mayo namens Sweeney und einen wohlgenährten halslosen Mann aus Cork, O'Connor oder O'Gorman oder so ähnlich. Viele andere kamen mir bekannt vor, aber ich vergaß jeden Namen sofort wieder, sobald die Hand sich aus meiner löste, und die Gesichter verschmolzen zu einer großen, eifrigen, einschüchternden Masse.
    Diesen Augenblick in einer Ermittlung habe ich schon immer geliebt, den Augenblick vor Beginn der ersten Einsatzbesprechung. Er erinnert mich an das dezente, konzentrierte Getriebe, ehe sich der Vorhang hebt: Das Orchester stimmt die Instrumente, hinter der Bühne machen Tänzer noch rasch ein paar Dehnübungen, lauschen auf das Zeichen, dass sie ihre Umhänge und Beinwärmer abstreifen und ihre Kunst zeigen können. Aber ich hatte noch nie eine so große Ermittlung geleitet, und diesmal machte mich das Gefühl angespannter Erwartung nervös. Der SOKO-Raum war so voll, all die angestaute Energie, all die neugierigen Augen, die auf uns gerichtet waren. Ich musste daran denken, wie ich damals, als ich selbst noch Fahnder war und darum betete, für Fälle wie diesen angefordert zu werden, die Detectives des Morddezernats gesehen hatte. Ich erinnerte mich an die Ehrfurcht, den drängenden, fast unerträglichen Ehrgeiz. Diese Burschen – und viele von ihnen waren älter als ich – kamen mir anders vor, als würden sie mich kühl und unverhohlen taxieren. Ich habe noch nie gern im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden.
    O'Kelly knallte die Tür hinter sich zu, was schlagartig jedes Gespräch verstummen ließ. »Okay, fangen wir an«, sagte er in die Stille hinein. »Willkommen bei dieser SOKO, die aus mir unerfindlichen Gründen den Namen ›Vestalin‹ verpasst bekommen hat. Was soll das eigentlich heißen?«
    Anscheinend hatte das Bild von dem toten Mädchen auf dem alten

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