Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
Vom Netzwerk:
ich warteten.
    »Wissen Sie, was Knocknaree heißt?«, sagte er schließlich. »Berg des Königs. Wir wissen nicht, wo der Name herstammt, aber wir sind ziemlich sicher, dass er einen vorchristlichen religiösen Bezug hat, keinen politischen. Wir haben keine königlichen Begräbnisstätten oder Wohnhäuser gefunden, dafür aber reichlich religiöse Artefakte – den Altarstein, kleine Votivstatuetten, einen goldenen Opferbecher, Überreste von Tieropfern und möglicherweise auch Menschenopfern. Dieser Hügel hatte große religiöse Bedeutung.«
    »Wer wurde dort verehrt?«
    Er zuckte die Achseln und trommelte schneller. Ich hätte ihm am liebsten eins auf die Finger gegeben.
    »Sie haben dort Nachtwache gehalten«, sagte Cassie leise. Sie saß entspannt zurückgelehnt, aber jede Faser ihres Gesichts war wach und aufmerksam, nur auf ihn konzentriert.
    Mark wiegte den Kopf hin und her. »So was in der Art.«
    »Sie haben dort Wein vergossen«, sagte Cassie. Er hob rasch den Blick, schlug dann die Augen wieder nieder. »War das ein Trankopfer?«
    »Könnte man sagen.«
    »Nur damit ich das richtig verstehe«, sagte ich. »Ein kleines Mädchen wird ermordet, und Sie übernachten ein paar Meter von der Stelle entfernt. Und jetzt sollen wir Ihnen abkaufen, dass Sie das aus religiösen Gründen getan haben.«
    Plötzlich beugte er sich ruckartig vor und reckte mir einen Finger entgegen. Ich fuhr unwillkürlich zusammen. »Jetzt hören Sie mir mal zu, Detective. Ich glaube nicht an die Kirche, verstanden? An keine Kirche. Religion wird dazu benutzt, Menschen kleinzuhalten und dicke Kollekten zu kassieren. An dem Tag, als ich achtzehn wurde, bin ich aus der Kirche ausgetreten. Und ich halte auch nichts von Politikern. Andere Sprache, aber dasselbe Ziel wie die Kirche: die Armen unterdrücken und die Reichen bedienen. Das Einzige, woran ich glaube, ist da draußen auf dem Ausgrabungsgelände.« Seine Augen waren schmal geworden und blitzten, Augen, die hinter ein Gewehr auf einer zum Scheitern verurteilten Barrikade gepasst hätten. »Das ist ein heiligerer Ort als jede verdammte Kirche. Es ist ein Sakrileg , eine Schnellstraße darüberzubauen. Wenn man Westminster Abbey abreißen wollte, weil ein Parkplatz gebraucht wird, würden Sie dann verstehen, wenn Leute dort Mahnwachen halten würden? Also behandeln Sie mich nicht, als wäre ich ein Vollidiot, wenn ich das Gleiche mache.« Er starrte mich herausfordernd an, bis ich blinzelte, dann setzte er sich ruckartig zurück und verschränkte die Arme.
    »Ich nehme an, damit streiten Sie ab, irgendwas mit dem Mord zu tun zu haben«, sagte ich kühl, als ich meiner Stimme wieder traute. Aus irgendwelchen Gründen hatte mich sein kleiner Ausbruch stärker beeindruckt, als ich zugeben wollte. Mark schlug die Augen zur Decke.
    »Mark«, sagte Cassie. »Ich verstehe sehr gut, was Sie meinen. Ich sehe das genau wie Sie.« Er musterte sie lange mit harten grünen Augen, aber schließlich nickte er. »Trotzdem müssen Sie auch Detective Ryan verstehen: Viele Leute werden keinerlei Verständnis für Ihr Verhalten haben und es verdammt verdächtig finden. Wir müssen Sie als Verdächtigen ausschließen können.«
    »Wenn Sie wollen, mach ich einen Lügendetektortest. Aber ich war Dienstagnacht gar nicht da. Ich bin Montag da gewesen. Wie soll ich da was damit zu tun haben?« Wieder erfasste mich dieses ungute Gefühl. Wenn er nicht sehr viel besser schauspielern konnte, als ich ihm zutraute, ging er tatsächlich davon aus, dass Katy Dienstagnacht gestorben war, also in der Nacht, bevor ihre Leiche entdeckt wurde.
    »Okay«, sagte Cassie. »Können Sie nachweisen, wo Sie von dem Zeitpunkt an, als Sie Dienstag Feierabend gemacht haben, bis zum Arbeitsbeginn am nächsten Morgen waren?«
    Mark kaute auf der Unterlippe und zupfte an seinen Blasen, und plötzlich wurde mir klar, dass er verlegen wirkte. Dadurch sah er noch jünger aus. »Ja, kann ich. Ich bin zurück zum Haus, hab geduscht und mit den anderen zusammen zu Abend gegessen. Danach haben wir im Garten Karten gespielt und ein paar Bier getrunken. Fragen Sie sie ruhig.«
    »Und dann?«, fragte ich. »Um wie viel Uhr sind Sie ins Bett gegangen?«
    »Die meisten so gegen eins.«
    »Kann irgendwer bestätigen, dass Sie in Ihrem Bett waren? Haben Sie einen Zimmergenossen?«
    »Nee. Ich hab ein eigenes Zimmer, weil ich Stellvertreter des Ausgrabungsleiters bin. Ich bin noch eine Weile im Garten geblieben. Hab mich mit Mel unterhalten. Ich

Weitere Kostenlose Bücher