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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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können Sie an einem so kleinen Splitter erkennen?«
    »Schauen Sie mal her«, sagte Erin und setzte sich an ihren Computer. »Ich zeige Ihnen die Bilder, die ich Dr. Cherry Anfang der Woche geschickt habe. Das hier sind Mikrofotografien des Fragments.« Sie drückte ein paar Tasten, worauf ein Muster aus grauen Wirbeln und Wellen auf dem Bildschirm erschien.
    »Was Sie hier sehen«, erklärte Dr. Cherry, »nennt sich Damaszener-Stahl oder auch Damast. Dieses Wellenmuster entsteht dadurch, dass verschiedene Schichten von Metall wieder und wieder gefaltet und gehämmert werden, sodass weicherer und gehärteter Stahl sich abwechseln. Je mehr solcher Schichten vorliegen, desto besser und robuster ist das Schwert. In China wird der beste Stahl bailian jinggang genannt, das heißt ›hundertmal geschmiedeter Stahl‹. Und dabei entstehen die Muster, die Sie hier sehen. Wir sprechen von den Adern der Klinge.«
    »Wenn das eine chinesische Waffe ist«, meinte Frost, »wieso heißt es dann ›Damaszenerstahl‹?«
    »Um das zu erklären, muss ich Ihnen etwas über die Geschichte der chinesischen Waffentechnik erzählen. Natürlich nur, wenn es Sie interessiert.« Er hielt inne und sah die drei Detectives an.
    »Fahren Sie fort«, sagte Jane.
    Dr. Cherrys Augen leuchteten, als gäbe es kein Thema, das ihn mehr begeisterte. »Gehen wir zurück zu den Anfängen der Schwertherstellung. Vor Tausenden von Jahren begannen die Chinesen, Klingen aus Stein zu fertigen. Die nächste Stufe war dann Bronze; ein weiches, schweres Metall, das als Waffenmaterial seine Grenzen hat. Dann ging man zu Eisen über, doch von solchen Schwertern sind nicht viele erhalten, da Eisen rostet und nur sehr wenig davon übrig bleibt. Ironischerweise haben Sie größere Chancen, ein Bronzeschwert zu finden als eines aus Eisen, obwohl die Bronze viele Jahrhunderte älter ist.«
    »Aber wir sprechen doch hier von Stahl«, meinte Tam. »Nicht von Eisen.«
    »Und kennen Sie den Unterschied zwischen Stahl und Eisen?«
    Tam zögerte. »Wenn ich mich richtig erinnere, hat es etwas mit dem Hinzufügen von Kohlenstoff zu tun.«
    »Sehr gut!« Dr. Cherry strahlte. »Das weiß nicht jeder – nicht einmal alle meine Erstsemesterstudenten in Harvard. Wir haben jetzt also die mittlere Han-Dynastie erreicht, vor rund zweitausend Jahren, als die Schwertmacher lernten, Stahl zu schmieden, zu falten und ihn in Streifen und Bahnen zu hämmern. Die Technik wurde wahrscheinlich in Indien entwickelt und breitete sich später nach China und in den Mittleren Osten aus. Und so kam es auch zu dem Namen Damaszenerstahl.«
    »Aber er stammt gar nicht aus Damaskus«, sagte Frost.
    »Nein, er kommt ursprünglich aus Indien. Aber eine gute Idee wird sich früher oder später immer verbreiten, und nachdem die Technik China erreicht hatte, entwickelte sich das Schwertschmieden erst zu einer wahren Kunst. Im Lauf der Jahrhunderte wechselte die technische Qualität der Schwerter je nach dem Stand der kriegerischen Auseinandersetzungen. Jeder neue Konflikt bringt in der Regel die Entwicklung neuer Waffen mit sich. Als während der Song-Dynastie die Mongolen einfielen, führten sie den Säbel nach China ein. Die Chinesen übernahmen diesen Säbel und passten die Form ihrem eigenen geschwungenen Schwert an. Das Ergebnis ist unter dem Namen Dao bekannt, und er wurde von der Kavallerie als Hiebwaffe benutzt. Wir sprechen hier von Klingen, die wirklich rasiermesserscharf waren, und Sie können sich vorstellen, was das auf dem Schlachtfeld für ein Gemetzel gab. Es muss zu massenhaften Verstümmelungen und Enthauptungen gekommen sein.«
    Es war ein grausiges Bild, das Jane sich nur allzu lebhaft vorstellen konnte. Sie erinnerte sich an die Begegnung in der Passage. Das Zischen der Klinge, das warme Blut, das ihr ins Gesicht spritzte. Dr. Cherrys sanfte Stimme stand in krassem Kontrast zu den Gräueln, die er schilderte.
    »Wer würde denn da freiwillig Soldat werden? Ich jedenfalls nicht«, meinte Frost.
    »Vielleicht hätten Sie ja keine Wahl gehabt«, entgegnete Dr. Cherry. »Im alten China waren bewaffnete Konflikte fast an der Tagesordnung. Verschiedene Kriegsherren befehdeten einander, dazu kamen Invasionen von Mongolen und Piraten.«
    »Piraten? In China?«
    Dr. Cherry nickte. »Während der Ming-Dynastie terrorisierten japanische Piraten die chinesische Küste. Bis ein Held namens General Qi Jiguang mit seinen Truppen eingriff und die Piraten besiegte.«
    »Ich kann mich erinnern, von ihm

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