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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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gehört zu haben«, sagte Tam. »Meine Großmutter erzählte mir, General Qi habe fünftausend Piraten den Kopf abgeschlagen. Seine Abenteuer gaben wunderbare Gutenachtgeschichten ab.«
    »Pah«, murmelte Jane. »Und mich haben sie mit Schneewittchen und den sieben Zwergen abgespeist.«
    »General Qis Elitesoldaten waren für ihre ausgeklügelte Taktik berühmt«, fuhr Dr. Cherry fort. »Und ihre bevorzugte Waffe war der Dao. Der chinesische Säbel.« Er deutete auf das vergrößerte Bild auf Erins Monitor und sagte mit Ehrfurcht in der Stimme: »Allein die Vorstellung, dass dieses Fragment wahrscheinlich aus dieser Zeit stammt …«
    »Von einem chinesischen Säbel?«, fragte Jane.
    »Ja.«
    »Wie können Sie das anhand eines so kleinen Bruchstücks sagen? Könnte es nicht auch von einem japanischen Samuraischwert stammen?«
    »Ich denke, möglich wäre es, da die Japaner die Technik des Schwertschmiedens schließlich von den Chinesen gelernt haben.«
    »Und an Samuraischwerter kommt man leicht heran«, sagte Tam. »Die sieht man öfter im Schaufenster von Messer-Spezialgeschäften.«
    »Ah, aber die verkaufen keine Schwerter wie dieses.«
    »Was ist denn daran so besonders?«, fragte Jane.
    »Sein Alter, bestimmt mit der C14-Methode.«
    Jane runzelte die Stirn. »Ich dachte, die C14-Methode könnte man nur bei organischem Material anwenden. Und hier geht es um Stahl.«
    »Kommen wir noch einmal auf die Technik der Schwertherstellung im Altertum zurück«, sagte Dr. Cherry. »Die traditionelle Methode bestand darin, Eisensand in einer Esse zu schmelzen. Dieses Eisen wurde dann mit Kohlenstoff versetzt, um Stahl zu gewinnen. Aber woher bekam man den Kohlenstoff? Nun, man nahm einfach Holzasche.«
    »Und Holz ist organisch«, sagte Tam.
    »Genau. Wir haben den Kohlenstoffanteil aus dieser Probe mittels Verbrennung nach der Sealed-Tube-Methode extrahiert«, sagte Erin. »Und dann wurde der Kohlenstoff analysiert.«
    »Das Fragment musste also zerstört werden?«
    »Leider ja. Um das Alter des Kohlenstoffs zu bestimmen, musste die Probe geopfert werden. Nur so konnten wir genau ermitteln, wie alt das Objekt ist.«
    »Und da erlebten wir dann die große Überraschung«, warf Dr. Cherry ein. Seine Stimme bebte vor Aufregung.
    »Ich nehme an, diese Waffe wurde nicht in irgendeinem Messergeschäft um die Ecke gekauft«, sagte Jane.
    »Es sei denn, dieser Laden würde mit sehr alten Antiquitäten handeln.«
    »Und was heißt ›alt‹ in diesem speziellen Fall?«
    Dr. Cherry deutete auf die Mikroaufnahme. »Der Stahl, den Sie hier sehen, wurde in der Ming-Dynastie geschmiedet. Mit der C14-Methode lässt sich der Zeitraum auf die Jahre zwischen 1540 und 1590 eingrenzen.« Er sah Jane an, und seine Augen leuchteten. »Und das ist zufällig die Zeit von General Qis legendärer Armee. Ein so kunstvoll gefertigter Säbel könnte von einem seiner Elitesoldaten geführt worden sein. Vielleicht hat er sogar einige Piraten einen Kopf kürzer gemacht.«
    Jane starrte den Computerbildschirm an. »Diese Waffe ist fast fünfhundert Jahre alt? Und sie ist noch funktionsfähig?«
    »Es ist möglich, ein solches Schwert sehr, sehr lange zu erhalten, aber es braucht besondere Pflege, insbesondere, wenn diese Waffe tatsächlich auf dem Schlachtfeld eingesetzt wurde. Blut greift Stahl an, auch wenn es noch so gründlich abgewischt wird. Wenn die Klinge der Luft ausgesetzt ist, sind Rost und Lochfraß die Folge. Sie müsste über Jahrhunderte regelmäßig gereinigt und poliert worden sein, und das allein verschleißt das Metall und macht die Schneide brüchig. Das könnte der Grund sein, warum ein Splitter von der Klinge im Hals des Opfers abgebrochen ist. Die Waffe hat schlicht und einfach das Ende ihrer Lebensdauer als brauchbares Tötungswerkzeug erreicht.« Er seufzte. »Was würde ich darum geben, es untersuchen zu können! Ein Dao aus General Qis Zeit wäre unbezahlbar, wenn man ihn nur finden könnte.« Er hielt inne, sah Frost an, der plötzlich blass geworden war, und runzelte die Stirn. »Stimmt etwas nicht, Detective?«
    Leise antwortete Frost: »Ich weiß, wo wir dieses Schwert finden können.«

28
    Wieder einmal überfallen die Detectives Rizzoli und Frost mich in meinem Studio, und diesmal haben sie einen elegant gekleideten, dunkelhäutigen Herrn mitgebracht, dessen leise, zurückhaltende Art darauf schließen lässt, dass er nicht wie sie Polizist ist. Die plötzliche Unterbrechung erschreckt meine Schüler, und sie stehen wie

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