Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
und Opfer Auge in Auge. Gabriel, dachte sie. Regina. Ich werde euch nie mehr sagen können, wie sehr ich euch beide liebe.
    Sie hörte das Flüstern des Todes in der Nacht, hörte es wie einen Windstoß an ihrem Ohr vorbeistreichen. Etwas spritzte ihr ins Gesicht, und sie blinzelte. Als sie die Augen wieder aufschlug, kippte die Silhouette bereits vornüber. Der Mann landete wie ein gefällter Baum quer über ihren Beinen. Eingeklemmt von seinem Gewicht, spürte sie, wie eine warme Flüssigkeit ihre Kleider tränkte. Und da war dieser metallische Geruch, den sie nur zu gut kannte.
    Etwas atmete geräuschvoll in der Dunkelheit, eine Gestalt, die jetzt dort stand, wo der Mann mit der Pistole noch Sekunden vorher gestanden hatte. Sie sah kein Gesicht, nur ein schwarzes Oval und einen silbrigen Haarkranz. Das Wesen sprach kein Wort, doch als es sich abwandte, blitzte etwas in seiner Hand auf, ein heller Lichtreflex, der im nächsten Sekundenbruchteil wieder erloschen war. Sie glaubte, das Rauschen von Wind zu hören, sah einen Schatten durch das Halbdunkel auffliegen. Dann war sie allein, immer noch auf dem harten Asphalt, niedergedrückt von einem Mann, dessen Blut ihre Kleider durchnässte.
    »Rizzoli? Rizzoli? «
    Mit aller Kraft versuchte sie, sich von dem Gewicht zu befreien, das ihre Beine einklemmte. »Ich bin hier. Frost!«
    Der Strahl einer Taschenlampe zuckte in der Ferne. Kam näher, schwenkte zwischen den Häuserwänden hin und her.
    Ächzend vor Anstrengung gelang es Jane endlich, die Leiche abzuwälzen. Die Berührung des toten Fleischs ließ sie erschaudern, und sie wich in Panik zurück. »Frost«, sagte sie.
    Der Lichtstrahl traf genau ihre Augen, und sie hob geblendet die Hand.
    »Mein Gott«, rief Frost. »Bist du …«
    »Ich bin okay. Mir fehlt nichts!« Sie holte tief Luft, und erneut durchzuckte sie der Schmerz an der Stelle, wo die Kugel in ihre Kevlar-Weste eingeschlagen war. »Glaube ich jedenfalls.«
    »Das viele Blut …«
    »Nicht meins. Seins.«
    Frost richtete seine Taschenlampe auf die Leiche, und Jane schnappte erschrocken nach Luft, so heftig, dass ihr die Rippen schmerzten. Der Tote lag auf dem Bauch, und der abgetrennte Kopf war ein ganzes Stück davongerollt. Die Augen starrten zu ihnen auf, der Mund offen, wie in einem letzten Schreckensschrei erstarrt. Jane konnte den Blick nicht von dem sauber abgetrennten Hals wenden, und ihr wurde plötzlich bewusst, dass ihre Hose völlig durchnässt war und der Stoff an ihrer Haut klebte. Die nächtliche Gasse begann sich um sie zu drehen, sie wankte davon und lehnte sich kraftlos gegen eine Hauswand, wo sie den Kopf senkte und verzweifelt gegen den Drang ankämpfte, sich zu übergeben.
    »Was ist passiert?«, fragte Frost.
    »Ich habe es gesehen«, flüsterte sie. »Das Ding. Dein Phantom vom Dach.« Ihre Beine waren wie Pudding, und sie rutschte ab, bis sie zusammengesunken dasaß, mit dem Rücken an der Wand. »Es hat mir gerade das Leben gerettet.«
    Dann schwiegen sie beide lange. Der Wind fegte durch die Gasse und wirbelte Sandkörnchen auf, die ihr in den Augen brannten und in ihrem Gesicht prickelten. Ich müsste eigentlich tot sein, dachte sie. Ich müsste hier liegen, mit einer Kugel im Kopf. Stattdessen werde ich heute Abend nach Hause fahren, werde meinen Mann umarmen und mein kleines Mädchen küssen. Und dieses Wunder verdanke ich diesem unbekannten Wesen, das da aus der Dunkelheit herangerauscht ist.
    Sie hob den Kopf und sah Frost an. »Du musst es doch gesehen haben. Gerade vorhin.«
    »Ich habe nichts gesehen.«
    »Es müsste direkt an dir vorbeigekommen sein, als du in den Durchgang eingebogen bist.«
    Er schüttelte den Kopf. »Es ist wie neulich auf dem Dach. Da war ich derjenige, der es gesehen hat, und ihr habt mir nicht geglaubt.«
    Ihr Blick ging wieder zu der Leiche. Zu der Pistole, die der Enthauptete immer noch in der Hand hielt. »Jetzt glaube ich dir.«

18
    Von dort, wo sie ihren Wagen geparkt hatte, konnte Maura drei Streifenpolizisten an der Absperrung stehen sehen. Sie blickten alle in ihre Richtung und hatten mit ziemlicher Sicherheit ihren schwarzen Lexus bereits erkannt. Sie wussten also, dass die Rechtsmedizinerin am Tatort eingetroffen war, doch als sie ausstieg und auf die Gruppe zuging, kehrten sie ihr den Rücken zu und setzten ihre Unterhaltung einfach fort. Erst als sie sich offiziell ankündigte, ließen sie sich endlich dazu herab, ihren Blick zu erwidern.
    »Ist Detective Rizzoli im Haus?«, fragte

Weitere Kostenlose Bücher