Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
nichts.« Jane starrte auf den Toten. »Das wird immer merkwürdiger. Er hat sich beklagt, dass jemand aus einem Minibus sein Haus observierte. Und er meinte, es sei bei ihm eingebrochen worden, während er verreist war. Für mich hat sich das alles ziemlich paranoid angehört.«
    »Wohl doch nicht so paranoid.« Marquette wandte sich an den Kriminaltechniker. »Haben Sie schon sein Mobiltelefon überprüft?«
    »Da haben wir kein Signal feststellen können. Der Akku ist leer. Sobald wir ihn aufgeladen haben, werden wir uns seine Anrufliste anschauen.«
    »Besorgen Sie seine kompletten Verbindungsdaten, sowohl vom Handy als auch vom Festnetz. Wir müssen wissen, mit wem er in letzter Zeit gesprochen hat.«
    Maura richtete sich auf. »Ich habe gehört, es gibt noch ein zweites Opfer.«
    »Ja, der Mann, der den Schuss abgefeuert hat«, sagte Jane. »Zumindest gehen wir davon aus, dass er es war. Ich habe ihn ein paar Blocks weit verfolgt.«
    »Hast du ihn selbst überwältigt?«
    »Nein.«
    »Wer denn?«
    Jane atmete tief durch, als müsse sie sich für das wappnen, was nun folgte. »Es ist nicht leicht zu erklären. Ich muss es dir zeigen.«
    Sie gingen hinaus auf die Straße, wo sich bereits eine Menge von Schaulustigen versammelt hatte, magisch angezogen von dem Polizeiaufmarsch in ihrer Nachbarschaft. Jane bahnte sich einen Weg durch die Gaffer und führte Maura um die Ecke zu einer ruhigen Seitenstraße. Obwohl Jane ihr gewohntes flottes Tempo vorlegte, war von ihrer forschen, selbstsicheren Art nichts mehr zu spüren, und sie ließ die Schultern hängen, als hätten die Ereignisse dieses Abends sie niedergedrückt und ihr jegliches Selbstbewusstsein geraubt.
    »Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?«, fragte Maura.
    »Abgesehen davon, dass ich meinen guten Hosenanzug wegschmeißen kann? Doch, mir geht’s gut.«
    »So siehst du aber nicht aus. Jane, rede mit mir.«
    Jane verlangsamte ihren Schritt und blieb stehen. Sie starrte die Straße entlang, als scheute sie sich, Maura anzusehen, ihr zu zeigen, wie verletzlich sie sich in diesem Moment fühlte. »Ich sollte eigentlich gar nicht hier stehen«, murmelte sie. »Ich sollte tot sein wie Ingersoll. Und dort auf der Straße liegen, mit einer Kugel im Kopf.« Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie ihre Hände, als ob sie jemand anderem gehörten. »Sieh dir das an. Ich zittere wie Espenlaub.«
    »Du sagtest, du hättest den Täter gestellt.«
    »Ich habe ihn verfolgt, ja. Aber dann bin ich übermütig geworden. Ich bin ihm in einen Durchgang gefolgt. Und schon hatte er mich gestellt.« Sie schlang die Arme um die Brust, als sei ihr plötzlich kalt. »Mein Geburtstagsgeschenk hat mich gerettet. Erinnerst du dich daran, wie Gabriel mir diese Kevlar-Weste mitgebracht hat? Wie wir darüber gelacht haben, du und ich? Sehr romantisch – genau das, was sich jede Frau wünscht. Als ich sie nicht tragen wollte, ist er stinksauer geworden, also habe ich sie um des lieben Friedens willen angelegt, bevor ich heute Morgen das Haus verließ. Jetzt wird er mir ewig Vorträge halten, dass er doch recht gehabt hat.«
    »Weiß er, was passiert ist?«
    »Ich habe ihn noch nicht angerufen.« Jane wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. »Bin noch nicht dazu gekommen.«
    »Du musst nach Hause, und zwar sofort.«
    »Wo wir gerade mitten in der Tatortarbeit sind?«
    »Jane, du bist doch sichtlich mit den Nerven am Ende. Überlass den Rest deinem Team.«
    »Ach ja, und das vor Marquettes Augen? Damit er sieht, dass ich nicht mal mit so einer Lappalie wie einer Kugel im Rücken fertigwerde? Vergiss es.« Jane machte kehrt und ging davon, als hätte sie es eilig, diese Sache hinter sich zu bringen. Und zu beweisen, dass sie der Aufgabe gewachsen war.
    O Jane, dachte Maura. Du hast dich doch wieder und wieder bewährt, aber in deinen Augen wird es nie genug sein. Du wirst immer die junge Anfängerin sein, die um Anerkennung kämpft. Und Angst hat, Schwäche zu zeigen.
    Sie kamen zu einem weiteren Absperrband an der Einmündung eines Durchgangs, bewacht von einem Polizeiposten. Wieder wurde Maura mit kühler Gleichgültigkeit begrüßt. Während sie neue Überschuhe anzog und unter dem Band hindurchschlüpfte, spürte sie den Blick des Streifenpolizisten im Rücken, und sie atmete erleichtert auf, als sie Jane in die dunkle Passage folgte, wo er sie nicht mehr sehen konnte.
    »Und hier ist Kandidat Nummer zwei«, verkündete Jane und leuchtete mit ihrer Taschenlampe auf den Asphalt. Die

Weitere Kostenlose Bücher