Grabesstille
Fenstervorhänge zu lugen versuchte.
Jane legte auf und sagte zu Frost: »Versuch du es weiter hier. Tam, wir gehen zum Hintereingang. Vielleicht kann er uns ja nicht hören.«
Während sie mit Tam um das Haus herumging, konnte sie vernehmen, wie Frost mit den Fäusten an die Haustür hämmerte. Der schmale Durchgang zwischen den Häusern war unbeleuchtet und mit Unkraut überwuchert. Aus einem Fenster fiel der bläuliche Schein von Ingersolls Fernseher, und Jane blieb stehen, um einen Blick ins Wohnzimmer zu werfen. Bilder flackerten über die Mattscheibe, auf dem Couchtisch lag ein Handy, daneben ein angefangenes Sandwich.
»Das Fenster ist nicht verriegelt«, sagte Tam. »Ich kann da reinklettern. Soll ich?«
Im Halbdunkel sahen sie einander an, während beide an die Konsequenzen eines unerlaubten Eindringens ohne Durchsuchungsbeschluss dachten.
»Er hat uns schließlich zu sich eingeladen«, sagte sie. »Vielleicht sitzt er auf dem Klo und kann uns nicht hören.«
Tam schob das Fenster hoch. Sekunden später hatte er sich schon über den Sims geschwungen und war lautlos ins Zimmer geglitten. Wie zum Teufel hat er das gemacht?, fragte sie sich, während sie den brusthohen Sims betrachtete. Der Mann würde wirklich einen erstklassigen Einbrecher abgeben.
»Detective Ingersoll?«, rief Tam, während er ins Nebenzimmer ging. »Wir sind’s – Boston PD . Sind Sie hier?«
Jane überlegte gerade, ob sie sich auch irgendwie durch das Fenster wursteln sollte, und kam zu dem Schluss, dass Tam wahrscheinlich längst die Haustür aufgesperrt hätte, ehe sie drin wäre.
»Rizzoli, er ist hier! Er ist verletzt!«
Tams Ruf wischte alle ihre Zweifel beiseite. Sie packte den Sims und wollte sich eben mit dem Kopf voran durch das Fenster schwingen, als sie ein Rascheln im Gebüsch hörte, dann stampfende Schritte in der Dunkelheit.
Das war hinter dem Haus. Täter auf der Flucht.
Sie nahm sofort die Verfolgung auf und erreichte die Rückseite des Hauses gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie eine dunkle Gestalt über den Zaun kletterte und sich auf der anderen Seite fallen ließ.
»Frost! Ich brauche Verstärkung!«, schrie sie und sprintete durch den Garten. Getrieben von purem Adrenalin, erklomm sie den Zaun und schwang sich darüber. Splitter bohrten sich in ihre Handfläche, sie landete hart auf dem Asphalt und spürte die Erschütterung durch die Schuhsohlen bis in die Schienbeine.
Ihre Beute war noch in Sichtweite. Ein Mann .
Sie hörte, wie jemand hinter ihr über den Zaun kletterte, drehte sich aber nicht um, um zu sehen, ob es Frost oder Tam war. Sie konzentrierte sich nur auf die Gestalt vor ihr. Schon hatte sie den Abstand verringert, kam ihm nahe genug, um sehen zu können, dass er ganz in Schwarz gekleidet war. Eindeutig eine Einbrechermontur. Aber für mich bist du leider nicht schnell genug, Freundchen.
Die Schritte ihrer Verstärkung fielen zurück, doch Jane behielt ihr Tempo bei, gab dem Fliehenden keine Chance zu entkommen. Jetzt war sie bis auf ein paar Dutzend Meter an ihn herangekommen.
»Polizei!«, rief sie. »Keine Bewegung!«
Er schlug einen Haken nach rechts und verschwand zwischen den Häusern.
Jetzt war sie richtig sauer. Von Wut getrieben, sprintete sie um die Ecke und fand sich in einem schmalen Durchgang. Es war dunkel hier, zu dunkel. Sie hörte das Echo ihrer Schritte, während sie noch ein paar Meter weiterlief. Dann wurde sie langsamer, blieb stehen.
Wo ist er? Wohin ist er verschwunden?
Ihr Herz pochte, als sie mit gezogener Waffe die Umgebung absuchte. Sie sah Mülleimer herumstehen, hörte das Klirren von Glas zu ihren Füßen.
Die Kugel schlug mit ungeheurer Wucht zwischen ihren Schulterblättern ein. Sie wurde umgeworfen und landete auf dem Bauch, schrammte mit den Handflächen über das Pflaster. Die Waffe flog ihr aus der Hand. Die Kevlar-Schutzweste hatte sie gerettet, doch der heftige Schlag raubte ihr den Atem, und sie lag benommen da, ihre Waffe irgendwo außer Reichweite.
Schritte kamen langsam näher. Sie stemmte sich auf die Knie hoch, tastete den Boden nach ihrer Waffe ab.
Die Schritte stoppten direkt hinter ihr.
Sie verdrehte den Hals und sah die Silhouette eines Mannes über sich aufragen. Sein Gesicht lag im Schatten, doch im Schein einer fernen Straßenlaterne konnte sie gerade eben erkennen, wie er den Arm hob. Sah das schwache Schimmern der Waffe, die er auf ihren Kopf richtete. Es würde ein schnelles Ende sein, eine kaltblütige Hinrichtung, Mörder
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