Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
etwas unpassende flapsige Bemerkung hatte den Effekt, dass Maura auf den grausigen Anblick dessen, was da vor ihren Füßen lag, nicht vorbereitet war.
    Der Mann war glatt enthauptet worden. Der Kopf, auf dem eine dunkle Strickmütze saß, befand sich rund einen Meter neben dem Rumpf. Bei dem Opfer handelte es sich um einen Weißen von etwa vierzig Jahren. Der ganz in Schwarz gekleidete Körper lag auf dem Bauch wie ein Brustschwimmer in einem Meer seines eigenen Bluts. Seine im Tod erstarrte Hand hielt immer noch eine Pistole umklammert. Maura schwenkte ihre Taschenlampe und sah die gezackten Bögen der Blutspritzer an der Wand, die schwärzlichen Lachen auf dem Asphalt.
    »Darf ich vorstellen – das ist der Mistkerl, der mir meinen besten Hosenanzug ruiniert hat«, sagte Jane.
    Maura betrachtete nachdenklich die kopflose Leiche, die Waffe in der Hand des Mannes. »Das ist der Mann, den du vom Haus bis hierher verfolgt hast?«
    »Genau. Er ist durch Ingersolls Garten geflüchtet. Hat einen Schuss abgefeuert und mich in den Rücken getroffen. Tut immer noch tierisch weh.«
    »Aber wie kommt es dann, dass er …«
    »Ein Dritter hat eingegriffen. Falls du irgendwelche Fragen zur Todesart hast, frag einfach mich, denn ich war dabei. Ich habe hier auf dem Boden gelegen, und dieser Typ wollte mir gerade eine Kugel in den Kopf jagen. Ich dachte, ich wäre tot. Ich dachte …« Sie schluckte. »Dann habe ich ein Geräusch gehört, so ein Zischen in der Luft. Und dann ist er einfach so über mir zusammengebrochen.« Den Blick gesenkt, flüsterte Jane kaum hörbar: »Und ich bin noch am Leben.«
    »Hast du gesehen, wer das getan hat?«
    »Nur einen Schatten. Silberne Haare.«
    »Das ist alles?«
    Jane zögerte. »Ein Schwert. Ich glaube, er hatte ein Schwert.«
    Maura blickte auf die Leiche. Sie spürte den leichten Windstoß, der durch die Gasse wehte, und fragte sich, ob der tödliche Streich sich so ähnlich angehört hatte wie dieser Windhauch. Sie erinnerte sich an die amputierte Hand der Frau in Schwarz, mit den so sauber durchtrennten Gelenkknochen und Sehnen. Dann nahm sie die Waffe in der Hand des Toten genauer in Augenschein. »Die Pistole hat einen Schalldämpfer.«
    »Ja. Er ist schwarz angezogen und bewaffnet wie ein Profikiller. Genau wie die Frau auf dem Dach.«
    »Das ist kein gewöhnlicher Einbrecher.« Maura blickte auf. »Warum wurde Ingersolls Telefon angezapft?«
    »Er ist nicht mehr dazu gekommen, es mir zu sagen, aber es war klar zu erkennen, dass er beunruhigt war und reden wollte. Es ging um irgendwelche Mädchen. Was mit diesen Mädchen passiert ist , hat er gesagt.«
    »Welche Mädchen?«
    »Ich glaube, es hat mit dem Red Phoenix zu tun. Wusstest du, dass die Töchter von zweien der Opfer verschwunden sind?«
    Maura hörte Stimmen und das Schlagen von Autotüren. Sie blickte zur Einmündung der Gasse und sah das Blaulicht eines Fahrzeugs der Spurensicherung. »Jetzt werde ich auf jeden Fall die Akten lesen, die Tam mir gebracht hat.«
    »Warum hat er das gemacht? Ich war überrascht, als ich hörte, dass er dir das aufs Auge gedrückt hat.«
    »Er wollte eine unvoreingenommene Stellungnahme. Ich nehme an, er glaubt nicht, dass der Koch ein Selbstmörder war.«
    »Was glaubst du?«
    »Ich bin noch nicht dazu gekommen, mir die Akten anzusehen. Rat ist diese Woche zu Besuch, und ich will möglichst viel Zeit mit ihm verbringen.« Maura wandte sich zum Gehen. »Ich werde die Obduktionen gleich morgen früh vornehmen. Falls du dabei sein willst.«
    »Wirst du sie alle beide machen?«
    Die Frage kam Maura merkwürdig vor, und sie drehte sich noch einmal um. »Warum denn nicht?«
    »Ingersoll war Polizist. Ich meine nur, es ist doch gerade eine ziemlich kritische Zeit. Mit dem Graff-Prozess und so …«
    Maura hörte das Unbehagen in Janes Stimme, und sie kannte den Grund. »Darf ich jetzt etwa keine Polizisten mehr obduzieren?«
    »Das wollte ich damit nicht sagen.«
    »Glaub mir, es ist nicht nötig, dass du es aussprichst. Mir ist durchaus bewusst, was über mich geredet wird. Es wird mir jedes Mal aufs Neue bewusst, wenn ein Polizist mich anschaut – oder sich weigert, mich anzuschauen. Für sie bin ich der Feind.«
    »Das legt sich auch wieder, Maura. Es braucht nur seine Zeit.«
    So lange, bis ich gegen den nächsten Polizisten aussage. »Ich will ja nicht politisch inkorrekt sein«, sagte Maura. »Ich werde Dr. Bristol bitten, die Obduktion von Ingersoll zu übernehmen.« Sie schlüpfte unter dem

Weitere Kostenlose Bücher