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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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hübsches Mädchen, doch die Tragödie schien sich bereits in ihren Zügen abzuzeichnen, als wüsste sie schon, dass die Zukunft nur Kummer und Leid für sie bereithielt. Unter dem Foto war eine Liste ihrer Hobbys und Aktivitäten abgedruckt. Theatergruppe. Kunst. Orchester. Tennisteam.
    Orchester. Sie erinnerte sich, dass Charlotte Bratsche gespielt hatte. Und sie wusste auch, dass Laura Fang Geige gespielt hatte. Die Mädchen mochten in verschiedenen Welten aufgewachsen sein, aber ihr gemeinsames Interesse hatte der Musik gegolten.
    Sie blätterte das Jahrbuch durch, bis sie zur Rubrik »Aktivitäten« kam. Dort entdeckte sie wiederum Charlotte, abgelichtet zusammen mit zwei Dutzend anderen Musikschülerinnen und -schülern. Das Mädchen saß in der zweiten Reihe der Streichergruppe, mit ihrem Instrument auf dem Schoß. Die Bildunterschrift lautete: Musikdirektorin Candace Forsyth mit dem Orchester der Bolton Academy .
    Sie hörte, wie Patrick ins Esszimmer zurückkam, in der Hand ein Glas, in dem Eiswürfel klirrten. »Kannte Ihre Tochter ein Mädchen namens Laura Fang?«, fragte Jane ihn.
    »Detective Buckholz hat mir dieselbe Frage gestellt, nachdem Charlotte verschwunden war. Ich sagte ihm, dass ich den Namen noch nie gehört hatte. Erst später erfuhr ich, dass Laura Fang ein Mädchen war, das zwei Jahre vor Charlotte verschwunden war. Da erst wurde mir klar, warum er mich nach ihr gefragt hatte.«
    »Sie wissen also von keiner Verbindung zwischen den Mädchen? Charlotte hat Lauras Namen nie erwähnt?«
    Er betrachtete das Foto des Schulorchesters. »Ihr Kind kommt nach Hause und erzählt von diesem Mädchen oder jenem Jungen. Wie soll man sich als Vater die ganzen Namen merken?«
    Er hatte recht – das konnte man von Eltern unmöglich verlangen.
    Jane blätterte zum Ende des Jahrbuchs, zu den Seiten über die Schüler des Abschlussjahrgangs. Sie ließ den Blick über die Fotos der properen Burschen in ihren Bolton-Uniformen aus blauem Blazer und rotem Halstuch wandern. Da war Mark Mallory – sein Gesicht ein wenig schmaler, sein Haar länger und lockiger als heute. Schon damals war er ein gut aussehender junger Mann gewesen, ein Kandidat für Harvard. Unter seinem Foto waren seine Hobbys aufgezählt: Lacrosse, Orchester, Schach, Fechten, Theater .
    Wieder Orchester. So hatten die Dions und die Mallorys sich schließlich kennengelernt – über ihre musikalischen Kinder, die am Weihnachtskonzert teilgenommen hatten.
    »Ich kann mir nicht recht vorstellen, wie irgendetwas davon Ihnen weiterhelfen soll«, sagte Patrick. »Detective Buckholz hat mir all diese Fragen schon vor neunzehn Jahren gestellt.«
    Sie sah ihn an. »Vielleicht sind die Antworten heute andere.«
    Als Jane Brookline verließ und auf dem Massachusetts Turnpike Richtung Westen fuhr, hatte sie die Nachmittagssonne in den Augen. Bis Worcester kam sie zügig voran, doch die Strecke von dort nach Norden war zäh und führte über Nebenstraßen, die zum Teil wegen Asphaltierungsarbeiten nur einspurig befahrbar waren. Als sie endlich an der Bolton Academy ankam, war es fast fünf Uhr. Sie fuhr durch das Tor in eine geschwungene Auffahrt, beschattet von uralten Eichen. Vor dem Hauptgebäude saßen drei Mädchen auf den Steinstufen und unterhielten sich. Sie blickten nicht einmal auf, als Jane ihren Wagen parkte und ausstieg. Die Schülerinnen waren vielleicht fünfzehn oder sechzehn, alle drei schlank und hübsch, von der Natur perfekt ausgestattet für ihren biologischen Zweck auf Erden – nämlich den, junge Männer anzulocken.
    »Entschuldigen Sie. Ich möchte zu Mrs. Forsyth, der Musikdirektorin«, sagte Jane.
    Die drei Grazien starrten sie teilnahmslos an. Selbst in ihren karierten Röcken und weißen Baumwollblusen brachten sie es fertig, dass Jane sich in ihrer Gegenwart hoffnungslos unmodisch vorkam.
    »Sie ist in der Bennett Hall«, sagte eines der Mädchen schließlich.
    »Und wo ist die?«
    Das Mädchen streckte seinen schlanken Arm aus und deutete auf ein herrschaftliches Gebäude auf der anderen Seite des Rasens. »Da drüben.«
    »Danke.« Während Jane den Rasen überquerte, spürte sie, wie die Blicke der Mädchen ihr folgten – diesem fremdartigen Wesen aus der Welt der gewöhnlichen Leute. Die Internatswirklichkeit schien wenig mit Harry Potters Zauberschule Hogwarts gemein zu haben – es war eher ein Tummelplatz für arrogante Elite-Sprösslinge. Jane erreichte die Vortreppe der Bennett Hall und blickte zu den weißen Säulen

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