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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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auf eine Konferenzschaltung legen und ihnen beiden sagen, dass sie mich mal konnten.
    Wrigley genehmigte mir ganze zwanzig Stunden bei der Zeitung. Er hatte mich zu einer Teilzeit-Nachtschicht verdonnert, dienstags, donnerstags und freitags von zehn Uhr abends bis zwei Uhr morgens – nach Redaktionsschluss. Als zusätzliche kleine Strafe musste ich außerdem samstags und sonntags von sieben bis elf Uhr morgens arbeiten. Das hieß, dass ich Freitagnacht genau fünf Stunden frei hatte, bis ich am nächsten Morgen wieder antanzen musste.
    John gab mir nicht einmal achtundvierzig Stunden Vorwarnung und erklärte, meine erste Schicht wäre der nächste Sonntagmorgen. »Wrigley geht offensichtlich davon aus, dass ich nichts vorhabe?«, sagte ich. »Dass ich nur dasitze und darauf warte, dass er mich auffordert, beim Express Beschwerdeanrufe entgegenzunehmen?«
    »Haben Sie denn etwas vor?«, fragte John.
    »Ja, aber erst später am Sonntag«, gestand ich.
    Ein Anruf in Giles’ Büro hatte schließlich dazu geführt, dass ich Gillians neue Nummer bekam – seine Sekretärin musste sie für mich heraussuchen –, und Gillian hatte eingewilligt, sich am Sonntagnachmittag mit mir zu treffen. Sie arbeitete jetzt als Bedienung in einem kleinen Café, wo es Frühstück und Mittagessen gab. »Nur Teilzeit«, hatte sie erklärt. »Ab zwei Uhr habe ich frei.«
    »Sie können also kommen?«, fragte mich John.
    »Ja, ich komme. Offenbar erwartet er, dass ich zu Kreuze krieche.«
    »Mir gefällt es auch nicht, Kelly, aber bis jetzt mussten wir schon darum kämpfen, dass er Sie nicht gefeuert hat. Der Verwaltungsrat wird einigen Druck machen müssen, damit er bei den Arbeitszeiten nachgibt. Sie wissen, dass ich für Sie tue, was ich kann.«
    Das Wissen, dass John und die anderen sich für mich einsetzten, bewog mich dazu, an diesem Sonntagmorgen die Eingangstür aufzustoßen.
    Das Haus war nahezu leer, was ich gar nicht so schlecht fand. Ich freute mich nicht gerade darauf, jedem zu begegnen, der mich hatte ausrasten sehen.
    Ich konnte die Telefone schon klingeln hören, bevor ich das obere Ende der Treppe erreicht hatte. Wenn man Sonntag morgens arbeitet, hört man sich das Geschimpfe der Leute an. Sie sehen nicht nach, welche Nummer für die Abonnenten gilt und welche für die Lokalredaktion. Und so wählen sie die Nummer, die sie als erste entdecken, und wer gerade in der Redaktion sitzt, nimmt Beschwerdeanrufe entgegen.
    Die Telefonhörer wurden beim zweiten oder dritten Klingeln abgenommen, und schon bald vernahm ich Stimmengewirr. Ich würde also nicht allein sein.
    Ich trat in die Redaktion, wo Mark Baker und Lydia Ames Anrufe beantworteten. Ich staunte. Keiner von beiden hätte an diesem Morgen arbeiten sollen. Lydia winkte mich zu einem Platz neben sich.
    Ein weiterer Apparat klingelte. Ich nahm den Anruf eines Mannes entgegen, der behauptete, der Junge, der ihm an diesem Morgen die Zeitung gebracht hatte, hätte sie in eine Schlammpfütze geworfen. Er erging sich in einer längeren Tirade und schien nie Luft holen zu müssen. Das Einzige, was es erträglich machte, war, Lydia und Mark dabei zuzusehen, wie sie komische Gebärden machten und mit den Augen rollten, während jeder von ihnen mit einem weiteren Anruf beschäftigt war.
    Ich schaffte es schließlich, das Gespräch mit Mr. Schlammpfütze zu beenden, als Stuart Angert den Raum mit einem Karton Frühstückssemmeln und vier Tassen heißem Kaffee betrat.
    »Willkommen zurück!«, sagte er.
    »Danke, aber was habt ihr drei eigentlich am Tag des Herrn zu dieser nachtschlafenden Zeit hier zu suchen?«, wollte ich wissen.
    »John hat uns erzählt, was Wrigley ausgeheckt hat«, antwortete Mark, »und so haben wir beschlossen, unsererseits ein paar Dienstpläne zu ändern – selbstverständlich mit Johns Zustimmung.«
    »Wir wollten am ersten Tag, wo du wieder in der Arbeit bist, dabei sein«, erklärte Lydia.
    »Ihr sollt aber nicht für mich den Kopf hinhalten«, sagte ich. »Was, wenn Wrigley beschließt, vorbeizuschauen?«
    »Der taucht nicht auf«, entgegnete Mark. »Er fürchtete sich vor dir zu Tode.«
    Weitere Anrufe trudelten ein. Bis neun Uhr war der Andrang so weit abgeflaut, dass wir länger als zwei Minuten am Stück miteinander reden konnten. Ich entschuldigte mich bei Stuart dafür, dass ich seinen Monitor ruiniert hatte.
    »Greif ruhig zu einem anderen Teil meiner Büroutensilien, wenn du das nächste Mal ein Geschoss abfeuern willst«, sagte er. »Ich bin

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