Grabesstille
hingerissen von dem neuen Computer-Monitor. Alle sind neidisch auf mich.«
»Nein, wir sind neidisch auf Irene. Wir möchten alle gern wissen, was es für ein Gefühl ist, etwas nach Wrigley zu werfen«, erklärte Lydia.
»Nicht so herrlich, wie du vielleicht glaubst«, erwiderte ich.
Dies mündete in ein Gespräch darüber, »wie ich mich wirklich fühlte«. Ich äußerte mich ausweichend. Sie verstanden den Wink mit dem Zaunpfahl und gaben entgegen jeglichem journalistischen Instinkt auf.
Um halb elf begriff ich, dass meine Schicht fast vorüber war, und dabei hatte ich noch nicht einmal begonnen, meine Post zu sortieren. Lydia erbot sich, mir zu helfen, während Stuart und Mark die Telefone bemannten. Ich konnte Lydia ein paar Unterlagen geben, die von der Tagschicht sofort bearbeitet werden mussten. Bei manchem würde ich John bitten, es mich zu Hause erledigen zu lassen. Das meiste konnte warten oder mit einem Brief beantwortet werden. Ich beschloss, mir die Beantwortung meiner E-Mails für meine erste Nachtschicht aufzuheben. Einer der Vorzüge des Internets ist, dass es Tag für Tag rund um die Uhr geöffnet ist.
Unter den Umschlägen befand sich ein merkwürdiges, klumpiges Päckchen ohne Absenderangabe. Lydia beäugte es misstrauisch und sagte: »Was schicken dir denn deine seltsamen Fans da?«
Ich nahm einen Brieföffner, um es aufzuschlitzen, und schüttelte den Inhalt mit schwungvoller Geste heraus.
Vor mir fiel ein Höschen auf den Tisch.
»Meine Unterhose«, sagte ich ausdruckslos.
Einen entsetzlichen Augenblick lang sah und hörte ich nichts anderes mehr als Nick Parrish in den Bergen, wie er mich verhöhnte und mir sagte, dass er meine Witterung hätte.
Dann hörte ich Stuart schallend lachen.
Einen kurzen Moment lang fühlte ich mich erniedrigt.
Dann sagte er: »Mein Gott, Kelly, ich habe ja schon gehört, dass man die Wäsche weggeben kann, aber das ist doch lächerlich.«
Ich begriff das Witzige an der Situation – Stuart hatte Recht, es war schließlich nur eine Unterhose. Ich fing ebenfalls an zu lachen.
Mark und Lydia wirkten unschlüssig, doch als Mark fragte: »Müsstest du nicht die Polizei verständigen?«, prusteten auch sie los.
Als wir uns alle ein bisschen beruhigt hatten, sagte ich: »Mann, vielleicht sollte ich wirklich die Polizei verständigen. Aber ich glaube, zuerst rufe ich Frank an. Ich will mir nicht einmal vorstellen, was er von seinen Arbeitskollegen zu hören bekommen wird.«
Leider konnte Frank an dem Vorfall überhaupt nichts lustig finden. Alles andere als besorgt darüber, wie er in der Arbeit auf die Schippe genommen werden würde, bestand er darauf, den Rest des Tages nicht von meiner Seite zu weichen.
»Aber ich treffe mich heute Nachmittag mit Gillian.«
»Schön«, sagte er. »Ich bleibe in der Nähe.«
Ich betrachtete den Umschlag, während wir auf die Polizei warteten. Abgestempelt, kurz bevor ich die Zeitung vorübergehend verlassen hatte. »Wenigstens habe ich den kleinen Mistkerl warten lassen«, sagte ich.
»Eigentlich sollte ich darüber schreiben«, meinte Mark, woraufhin Stuart erneut zu wiehern begann.
Da merkte ich, wie meine Wut aufwallte – nicht auf Stuart, sondern auf Parrish. »Verdammt noch mal«, sagte ich zu Lydia. »Parrish hat mir das in der Hoffnung hierher geschickt, mich vor einem Büro voller Kollegen bloßzustellen. Er dachte, ich wäre starr vor Schreck, während ihr euch alle fragen würdet, was für Probleme ich habe. Also, ich habe die Schnauze voll davon. Genug davon, in der Defensive zu bleiben. Höchste Zeit, dass die Offensive den Kampf eröffnet.«
Stuart, der dies mitgehört hatte, erklärte: »Sie ist wieder da, meine Damen und Herren!«
Lydia und Mark dagegen warnten mich. »Tu nichts Unüberlegtes«, riet Mark.
Ich ging an meinen Computer und loggte mich ein. »Über meine Unterhosen berichte ich selbst, Herrgott noch mal!«
»Den Spruch musst du ins Impressum schreiben!«, sagte Stuart.
Ich begann zu schreiben:
Was für ein Versager bildet sich eigentlich ein, einer Frau mit ihrer eigenen Unterhose Angst einjagen zu können?
Vielleicht weil er unter seinen vorhergegangenen Misserfolgen leidet, hat Nick Parrish seine ultimative Geheimwaffe hervorgeholt. Der Mann (ich benutze die Bezeichnung im weitesten Sinne) hat versucht, mich mit einem ungewaschenen Exemplar meiner eigenen Unaussprechlichen zu erschrecken.
Nicky hat offenbar keine Ahnung davon, welche Schrecknisse die Durchschnittsfrau an
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