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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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größere Heuchlerin ist? Gilly. Sie hat es von ihm gelernt – nur dass sie es noch besser drauf hat als er. Sie hat ja sogar Sie getäuscht. Sie hat meine Mom gehasst. Echt gehasst.« Er schüttelte den Kopf. »Sie haben sich gegenseitig gehasst.«
    »Als sie mich das erste Mal aufgesucht hat, hat Gillian zugegeben, dass sie Probleme mit eurer Mom hatte und es öfter Streit gegeben hat.«
    »Probleme? Streit?«, wiederholte er zornig. »Sie glauben, es war nur eine Teenager-Geschichte?«
    Genau so war es mir vorgekommen – und allen anderen auch, mit denen ich damals, als Julia Sayre verschwunden war, gesprochen hatte.
    »Und warum hat Gillian sie gehasst?«, wollte Jack wissen.
    »Woher soll ich das wissen?«, sagte er, aber mit weniger Feindseligkeit, als er zuvor an den Tag gelegt hatte. »Sie ist kalt. Ihr liegt an nichts oder niemandem etwas.«
    »Vier Jahre lang«, entgegnete ich, »war Gillian diejenige, die mich angerufen hat, um zu fragen, ob es irgendetwas Neues über eure Mutter gibt. Während dieser Zeit sind noch andere Personen verschwunden, aber niemand hat sich so viel Mühe gegeben wie deine Schwester, den Menschen zu finden, den sie geliebt hat.«
    »Sagen Sie nicht ›geliebt‹«, fauchte er. »Sie hat meine Mutter nicht geliebt. Sie hat sie gehasst. Sie war gemein zu mir. Sie ist zu jedem gemein. Sie benutzt alle. Sie hat auch Sie benutzt, und jetzt wollen Sie mir weismachen, das sei etwas Gutes. Sie wollte nur Aufmerksamkeit. Sie haben sie ihr gegeben.«
    »Wann hast du das letzte Mal mit ihr gesprochen?«, fragte ich.
    »Vor Jahren. Sie ist schon lange ausgezogen.«
    »Fehlt sie dir?«
    »Nein.«
    »Sie ist dich nicht besuchen gekommen, seit sie ausgezogen ist?«
    »Nein. Ist auch egal. Sie spinnt immer noch. Ich sehe sie ab und zu – ich meine, Sie wissen schon, ich sehe sie, wenn sie irgendwo rumhängt. Hier hab ich sie auch mal gesehen«, sagte er und wies vage in eine andere Ecke des Parks. »Hat nicht mal hallo zu mir gesagt. Ist mir auch ganz recht so«, fügte er rasch hinzu. »Ich will nicht, dass sie mir irgendwie nahe kommt.«
    »Tut mir Leid«, sagte ich. »Mir war nicht klar … mir war nicht klar, dass du so wütend auf sie bist. Oder auf mich.«
    Und alle anderen Bewohner unseres Planeten, dachte ich. Doch er sagte: »Ich bin nicht wütend auf Sie. Gilly führt die Leute ständig an der Nase herum. Genau wie mein Dad.« Er seufzte. »Wenn ich nur nicht in Las Piernas wohnen würde.«
    »Warum denn?«
    »Jeder weiß, was meiner Mom passiert ist. Die Kinder in der Schule führen sich auf, als wäre das das Einzige, was sie über mich wissen. Entweder wollen sie mich danach ausfragen – zum Beispiel, ob es stimmt, dass meiner Mom ein Finger abgeschnitten wurde und solcher Scheiß –, oder sie flippen komplett aus deswegen. Ich kann einfach kein normaler Mensch sein.«
    »Und sie benehmen sich seit vier Jahren so?«, wollte Jack wissen.
    »Nein«, gab er zu. »Nur als es gerade passiert war. Und jetzt wieder.«
    »Also beruhigen sie sich vielleicht bald.«
    »Ja, kann sein.«
    »Vielleicht haben sie nur Angst, dass ihren Moms das Gleiche passieren könnte«, mutmaßte Jack.
    »Vielleicht«, sagte er. »Aber es kotzt mich trotzdem an, hier zu wohnen.«
    »Wo möchtest du denn wohnen?«, fragte ich.
    »Bei Grandma«, antwortete er. »Sie fehlt mir. Wenn ich doch nur zu ihr ziehen könnte.«
    »Hast du deinen Dad gefragt, ob er es erlauben würde?«, fragte ich.
    »Er meint, ich würde ihm zu sehr fehlen. Ich glaube, er hat nur Angst, was die Leute denken werden.«
    »Kannst du dich daran erinnern, dass Nick Parrish in eurem Viertel gewohnt hat?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich war noch klein, als er weggezogen ist. Gilly kann sich an ihn erinnern. Ich glaube, sie ist öfter rübergegangen, um die Frau zu besuchen oder so.«
    »Die Frau? Seine Schwester?«
    »Ja.« Er zögerte und sagte dann: »Ich wusste schon lange, dass es Nick Parrish gewesen ist. Schon vor den Cops.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich wusste nicht, wie er heißt«, erwiderte Jason, »aber ich habe ihn gesehen.«
    »Wann?«
    »Bevor meine Mom umgebracht worden ist. Er hat einmal unser Haus angestarrt, als Gilly auf mich aufgepasst hat. Damals war ich auch noch klein – erst in der dritten Klasse –, aber es hat mir Angst gemacht.«
    »Hast du jemandem davon erzählt?«
    »Ich hab’s Gilly gesagt. Sie ist rausgegangen und hat nach ihm Ausschau gehalten. Aber es war niemand mehr da.«
    »Du hast es nicht der

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