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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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dass Parrish die Gruppe ohne sein Beisein zu dem Grab bringen durfte. »Dass er Sie zu ihr führt, rettet ihm das Leben«, stieß er mit bleicher und verkrampfter Miene hervor.
    Thompson lenkte schließlich ein und beschloss, Newly von J. C. und Houghton zurück zum Flugzeug bringen zu lassen. »Houghton, Sie fliegen mit ihm zurück, bringen ihn in ein Krankenhaus und nehmen so schnell wie möglich Kontakt zum Staatsanwalt auf. Berichten Sie ihm genau, was hier vorgefallen ist und dass sich Newly mit den weiteren Abmachungen einverstanden erklärt hat.«
    J. C. und Houghton teilten den Inhalt von Newlys Rucksack auf und nahmen Newly in die Mitte. Newly, der immer noch weiß vor Schmerz war, versuchte mir das GPS zu geben, und sagte: »Markieren Sie die Position von allem, worüber ich Bescheid wissen muss, ja?«
    »Tut mir Leid. Das kann ich nicht«, sagte ich, da ich nicht einmal entfernt etwas mit Parrishs Verteidigung zu tun haben wollte.
    Er rang sich ein gequältes Lächeln ab und sagte: »Sie wollen also Ihren Kompass benutzen?«
    »Ja, und auch wenn ich nicht glaube, dass Ihnen ein Richter, der bei klarem Verstand ist, jemals den Zugriff auf meine Notizen gestatten würde, wissen wir doch beide, dass Bob Thompson ebenfalls ein GPS benutzt.«
    Er nickte, schien aber durch die Schmerzen in seinem Fuß zu abwesend, um weiter zu sprechen.
    J. C. bat Andy, alles im Blick zu behalten, solange er weg war. »Hinterlass mir Wegmarken«, bat er, »und pass auf, dass sie möglichst nicht allzu viel Wald ruinieren.«
    Wir alle sahen zu, wie sich das Trio langsam von uns weg bewegte.
     
    Ab und zu fand ich Gelegenheit, mit Andy zu sprechen, wenn er stehen blieb, um eine Biegung mit einem Stoffstreifen an einem Busch oder kleinen Steinchen in Form eines Pfeils zu markieren.
    »Glauben Sie, dass uns J. C. je wieder einholt?«, fragte ich ihn.
    »Auf jeden Fall«, erklärte Andy »Er ist sagenhaft fit. Er kann an einem Tag Distanzen zurücklegen, nach denen die meisten von uns so erledigt aussehen würden wie Phil Newly beim Mittagessen.«
    Am Spätnachmittag begann ich mich zu fragen, ob wir es zu einer Stelle schaffen würden, wo wir unser Lager aufschlagen konnten, geschweige denn bis zu Julia Sayres Grab. Wir hatten eine Menge Zeit verloren, und es kühlte rasch ab. Über uns ballten sich die Wolken – Zirruswolken. Womöglich drohte ein Gewitter.
    Thompson hegte offenbar die gleichen Befürchtungen. Er ließ den Zug anhalten. »Es kommt mir nicht so vor, als gingen wir in Richtung des Tales, das Sie uns auf der Karte gezeigt haben«, beschwerte er sich bei Parrish.
    »Ich habe mich geirrt«, erwiderte Parrish. »Aber jetzt weiß ich genau, wohin ich gehen muss.«
    In diesem Moment drehte sich der Wind ein wenig. Bingle hob die Schnauze und stieß ein Schnauben aus. Dann begann er zu jaulen und sah mit nach vorn gespitzten Ohren David an.
    »Gibt er Alarm?«, fragte Ben leise hinter mir.
    David konzentrierte sich auf den Hund. »¿Qué te pasa?«, fragte er. »Was ist los?«
    Der Hund ging eilig weiter, und David musste sich sputen, um mit ihm Schritt zu halten. Ich folgte den beiden und ignorierte Thompsons Ruf: »Kommen Sie zurück!«
    Der Hund lief immer schneller und war schon bald außer Sichtweite. »Bingle! ¡Alto!«, rief David, doch Bingle war bereits stehen geblieben. Er stand vor uns und bellte zuerst noch. Dann begann er gequält zu winseln.
    Wir kamen im selben Moment dort an und stießen beide zugleich einen Schrei des Ekels aus. Bingle stand am Fuß einer Kiefer, die auf den ersten Blick mit einer Art seltsamem, grauem Moos bedeckt zu sein schien. Doch es war kein Moos. Die Gegenstände, die von den Ästen baumelten, waren Tiere. Kojoten. Etwa ein Dutzend Kadaver, die kopfüber herabhingen und in unterschiedlichen Stadien der Verwesung an den unteren Ästen befestigt waren, als hätte jemand begonnen, einen makabren Weihnachtsbaum zu schmücken.
    Ich legte mir eine Hand vor den Mund und kämpfte gegen den Drang an, mich zu übergeben.
    David beruhigte Bingle und lobte den Hund, doch ich vernahm das Zittern in seiner Stimme.
    Wir hörten, wie sich die anderen den Weg durch die Bäume hinter uns bahnten.
    Nicholas Parrish sah zu dem Baum auf und lächelte. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass wir in die richtige Richtung gehen.«
     

6
     
    DIENSTAG, 16. MAI, SPÄTNACHMITTAG
    Bergland der südlichen Sierra Nevada
     
    Flash machte Fotos. Merrick, dem Manton die Arme hinter dem Rücken festhielt, brüllte

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