Grabesstille
Fitness im Mittelfeld.
Flash Burden strotzte vor Energie und Tatendrang. Voller Begeisterung machte er Fotos von Wildblumen und zog Andy zu Rate, bevor er deren Namen in sein Foto-Notizbuch eintrug. Andy korrigierte ihn nur ein- oder zweimal. Bald waren sie in munteres Geplauder über Orte vertieft, an denen sie Wandern oder Klettern gewesen waren.
Es war schwer, Parrishs Erfahrung im Gelände einzuschätzen. Ich hatte allerdings den Verdacht, dass er zumindest in diesem Wald zu Hause war. Vielleicht auch in anderen Wäldern. So trug er zum Beispiel seine eigenen Stiefel, die von guter Machart und häufig benutzt worden waren. Und er brach nicht wie Phil Newly in Panik aus, als eine Indigoschlange über den Weg huschte.
Auch Bingle ließ sich von der Natur nicht aus der Ruhe bringen. Er jagte weder Eichhörnchen noch andere Kleintiere, selbst wenn er sie zweifelsfrei bemerkt hatte. Meistens hielt er sich nahe bei David und benahm sich abwechselnd hoheitsvoll und drollig.
Manchmal trottete er auch neben Ben her. Von David erfuhr ich, dass es einen guten Grund für Bingles Anhänglichkeit an Ben gab: In den letzten Monaten hatte Ben in Davids Haus gelebt. Obwohl David keine Einzelheiten preisgeben wollte, hatte sich Ben offenbar von seiner Freundin getrennt, war ausgezogen und wollte bis Semesterende bei David bleiben. »Dann will er sich etwas Eigenes suchen, obwohl ich ihm gesagt habe, dass er gern länger bleiben kann. Die Hunde und ich haben ihn gern um uns.«
»Sehen Sie es mir nach, wenn ich das nur mit Mühe nachvollziehen kann«, sagte ich.
Er lächelte und meinte: »Na gut, Ben hat bei dieser Unternehmung noch auf niemanden einen besonders guten Eindruck gemacht. Er ist momentan nicht ganz auf der Höhe.«
»Weshalb?«, wollte ich wissen.
»Ach, aus allen möglichen Gründen«, antwortete er ausweichend und ging weiter.
Zu Mittag machten wir in einer kleinen Lichtung Rast, wo wir uns nicht so weit verteilen konnten wie zuvor. Nick Parrish nutzte die Gelegenheit, um mich erneut anzustarren. Bingle, der sich vielleicht daran erinnerte, wer das Zelt mit ihm geteilt hatte, störte sich daran und stand stocksteif und knurrend vor ihm.
»Tranquilo, mi centinela«, sagte David leise, und der Hund gehorchte.
»Was haben Sie zu ihm gesagt?«, fragte Parrish.
David gab ihm keine Antwort.
»Sie scheinen einen Beschützer zu haben, Ms. Kelly«, sagte Parrish. »Jedenfalls im Moment.«
»Lassen Sie sie in Ruhe, Parrish«, sagte Earl.
»Aber Ms. Kelly muss mich doch interviewen, oder?«
Es blieb mir erspart, antworten zu müssen, da das letzte Gruppenmitglied in die Lichtung gehumpelt kam. Phil Newly ging unsicher auf einen großen, flachen Felsen zu und setzte sich mit einem Seufzer darauf. Zweifellos quälten ihn seine neuen Stiefel. Die letzten fünfhundert Meter war er gegangen wie über heiße Scherben.
Ich suchte in meinem Rucksack nach dem Blasenpflaster, das ich bei mir hatte, als Ben Sheridan zu ihm ging und sagte: »Ziehen Sie die Stiefel aus.«
Newly wurde rot und sagte: »Wie bitte?«
»Ziehen Sie die Stiefel aus! Sie haben bestimmt Blasen. Sie hätten sich schon unterwegs melden sollen.«
»Ich lasse sie lieber an, vielen Dank«, entgegnete Newly mit so viel Würde, wie er aufbringen konnte.
»Fallen Sie uns nicht noch mehr zur Last, indem Sie störrisch werden«, wandte Ben ein. »Sie gefährden die gesamte Tour, wenn Sie Ihre Füße zu Schaden kommen lassen. Oder ist das vielleicht sogar Ihre Absicht?«
»Jetzt hören Sie mal –«
»Ignorieren Sie seine Manieren, Phil«, sagte ich. »Er hat Recht mit den Blasen. Die sind gefährlich, wenn sie sich entzünden.«
Doch er war nicht zum Einlenken bereit, sondern zog stattdessen einen Empfänger für Globale Positionsbestimmung hervor und begann ihn einzustellen und abzulesen. Ohne seinen Ärger zu verbergen, marschierte Ben davon.
»Haben Sie schon mal einen dieser tragbaren GPS-Empfänger benutzt?«, fragte mich Newly.
»Nein«, antwortete ich. »Ich komme gut mit einem Kompass, einem Höhenmesser und einer Landkarte zurecht.« Und mit ein bisschen Unterstützung von J. C. fügte ich im Stillen hinzu. Seine Vertrautheit mit der Gegend hatte mir mehr als einmal geholfen, Merkmale des Geländes zu identifizieren.
»Es sind ziemlich erstaunliche kleine Dinger.«
Er reichte mir den Empfänger und nahm sich ein paar Minuten Zeit, um mir zu zeigen, wie er funktionierte. Als auf der Anzeige ein Längen- und ein Breitengrad angegeben wurde,
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