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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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letzte Chance. Wir können zu der Wiese zurückgehen, wenn auch sein letzter Versuch fehlschlägt.«
    »Schauen Sie auf die Karte«, sagte ich und zeigte ihm die Markierungen, die ich eingetragen hatte. »Er führt uns im Kreis herum. Diese Hügelkette, auf die er jetzt zusteuert, ist die, in der der Kojotenbaum steht.«
    »Ja, er hat seinen Spaß gehabt«, bestätigte Thompson. »Ich habe ihm erklärt, die nächste Stelle sollte lieber die richtige sein, sonst ist die gesamte Abmachung passé.«
    Wir überquerten erneut die Hügelkette, diesmal auf einem schmalen Weg in einiger Entfernung vom Kojotenbaum, und als wir erneut bergab gingen, fanden wir uns wieder auf einer langen, schmalen Wiese. Inzwischen war es fast dunkel. Die Luft war kühl, aber ruhig.
    »Hier kriege ich das kalte Grauen«, sagte Manton.
    »Vergessen Sie’s«, meinte Thompson. Er wandte sich an David. »Was sagt der Hund?«
    »Die Bedingungen sind nicht gut für seinen Einsatz«, erwiderte David. »Wenn eine Brise aufkommt, kann ich Ihnen mehr sagen.«
    »Parrish – wo genau auf dieser Wiese haben Sie sie begraben?«, fragte Thompson.
    »Genau? Da bin ich mir nicht sicher. Aber dafür haben Sie doch den Hund mitgebracht, oder?«
    Thompsons Augen wurden schmal. Er sah aus, als wolle er Parrish gleich eine Tracht Prügel verpassen. Er ballte die Fäuste, dann wandte er sich von Parrish ab und ging steif zwei Schritte davon, bevor er sagte: »Schlagen Sie hier das Lager auf. Wir suchen morgen früh nach ihr.«
    Und so machten wir uns allesamt daran, unsere Zelte aufzubauen. An diesem Abend sprach niemand viel. Die Witzeleien und die Kumpanei vom Vorabend wiederholten sich nicht. Bingle blieb bei David, was mir recht war. Ich würde ohnehin nicht schlafen. Ich bin mir sicher, dass ich nicht die Einzige war, die in dieser Nacht wach lag und daran dachte, wie Julia Sayre mit Gewalt zu dieser Wiese getrieben und gezwungen wurde, ihr eigenes Grab zu schaufeln. Nicht die Einzige, da bin ich mir sicher, die es umso schlimmer fand, dass Parrish dieses Paradies in ihre Hölle verwandelt hatte.
    Und ich bin mir auch sicher, dass ich nicht die Einzige war, die sich fragte, wie weit entfernt von uns sie wohl lag.
     

7
     
    MITTWOCH MORGEN, 17. MAI
    Bergland der südlichen Sierra Nevada
     
    Gleich nach Sonnenaufgang am nächsten Morgen machte ich einen kurzen Spaziergang, nachdem ich Manton, der mit Merrick Wache hielt, gesagt hatte, welche Richtung ich einschlagen wollte. Ich war noch nicht weit gegangen, als ich eine flache Höhle entdeckte, die nicht ganz drei Meter tief war. Ich konnte weder einen Futtervorrat noch ein Nest entdecken und auch keine tierischen Ausscheidungen, keine Knochen von kleinen Beutetieren und keine Fellbüschel. Ja, je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr drängte sich mir der Gedanke auf, dass die Höhle ein bisschen zu sauber wirkte. Kein mir bekanntes Tier würde so wenig Hinweise darauf hinterlassen, dass es hier lebte.
    Ich beschloss, J. C. den Ranger, danach zu fragen, wenn er wieder zu uns stieß. Ich überlegte außerdem, ob Parrish diesen Ort genutzt haben könnte, und falls ja, dann könnten die Experten aus unserer Gruppe womöglich Spuren seiner dortigen Aktivitäten ausfindig machen.
    Langsam wurde mir mulmig zumute, und auch wenn ich noch so sehr versuchte, es einem neuen Anfall von Klaustrophobie zuzuschreiben, wusste ich doch, dass das nicht stimmte. Eilig schlüpfte ich hinaus und machte mich daran, eine Messung mit Kompass und Höhenmesser vorzunehmen, um mich zu beruhigen. Ich notierte mir die Lage der Höhle und marschierte zum Lager zurück.
    Obwohl es immer noch früh war, als ich zur Wiese zurückkam, waren die meisten anderen schon auf den Beinen. Manton studierte ein Foto einer Blondine mit schulterlangen Haaren und hielt dabei den Daumen über einen Teil des Bildes.
    »Ihre Frau?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Sie ist hübsch.«
    »Danke.«
    Ich wandte mich zum Gehen, doch als wäre es ihm gerade erst eingefallen, sagte er: »Hey, Sie sind doch eine Frau …«
    Ich drehte mich wieder zu ihm um. Welche Frau kann es sich verkneifen, auf diese Beobachtung zu reagieren? Man weiß genau, was als Nächstes kommt. Das Äquivalent dazu ist: »Hey, Sie sprechen doch Urdu. Übersetzen Sie das mal.« Seinen Urdusprechenden Schwestern zuliebe hört man zu.
    »Sagen Sie mir eines«, fuhr er fort. »Finden Sie, dass ihre Haare so besser aussehen?«
    »Ihr Daumen ist im Weg.«
    »Nein, an der Stelle hat sie sich die

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