Grabesstille
als auch das Geräusch von Schritten machten deutlich, dass jemand auf mich zukam. Als derjenige näher kam, sah ich, dass es Ben Sheridan war. Ich stand auf, als er bei mir anlangte.
»Warum sind Sie wach?«, flüsterte er, und sein Atem wurde in der kalten Luft ganz weiß. »Es ist drei Uhr morgens.«
»Ich warte nur auf die beste Gelegenheit, all Ihre Sachen zu durchsuchen und alles anzufassen, was der Polizei von Las Piernas gehört«, erwiderte ich flüsternd.
Er schwieg einen Moment und wiederholte dann: »Warum sind Sie wach?«
»Störe ich Sie?«
»Nein.«
»Na gut, und warum sind Sie wach?«
»Schhh. Nicht so laut. Sie wecken die anderen.«
Ich wartete.
»Ich habe schon geschlafen«, erklärte er.
»Aber nicht lang«, sagte ich.
»Sie haben überhaupt nicht geschlafen.«
»Ben, wenn Sie geschlafen haben, woher wollen Sie dann wissen, dass ich nicht geschlafen habe?«
Er machte Anstalten, wieder davonzugehen.
»Ich habe Probleme mit beengten Räumen«, sagte ich.
Er blieb stehen und sagte dann: »Klaustrophobie? Das Zelt macht Ihnen Schwierigkeiten?«
»Ja.«
»Schlafen Sie draußen.«
»Es ist nicht nur das.« Aber ich brachte es nicht über mich, mehr zu sagen.
Da wurden wir unterbrochen. Bingle hatte uns gehört. Er kam aus Davids Zelt und schüttelte sich, als hätte er gerade ein Bad genommen. Um die Ohren herum standen ihm Fellbüschel vom Kopf ab, wodurch er völlig verschlafen aussah. Die Wirkung war ausgesprochen witzig.
Schon bald kam David hinter ihm aus dem Zelt. Bevor ich mich entschuldigen konnte, flüsterte David schläfrig: »Hi, Ben. Brauchst du Bingle?«
»Sie braucht ihn«, antwortete Ben.
»Was?«, fragte ich verblüfft.
»Okay«, sagte David und wandte sich an Bingle. »Duerme con ella«, befahl er auf Spanisch und zeigte auf mich. Schlaf bei ihr. Gutmütig kam Bingle angetrottet und ließ sich neben mir fallen.
»Moment mal –«
»Halten Sie ihn warm, dann fehlt ihm nichts«, sagte David und verschwand wieder in seinem Zelt.
Reichlich genervt sah ich zu Ben auf.
»Er weckt Sie, wenn Sie einen Albtraum haben«, erklärte Ben und wandte sich zum Gehen.
»Wer hat denn etwas von Albträumen gesagt?«, fragte ich.
Er warf einen Blick über die Schulter und sagte: »Niemand.« Er blieb nicht stehen.
Bingle sah mich erwartungsvoll an.
Ich seufzte und schlüpfte in meinen Schlafsack. Bingle inspizierte kurz das Zeltinnere und legte sich dann neben mich. Ein Weilchen rutschte er ruhelos herum, bis er eine Stellung gefunden zu haben schien, die ihm behagte, und zwar indem er seinen Kopf auf meine Schulter legte.
»Bequem?«, fragte ich.
Er schnaubte.
Ich vergrub eine Hand in seinem dicken Fell und merkte, dass ich schmunzelte. Bald darauf war ich eingeschlafen.
Ich wachte kurz auf, als mich Bingle am nächsten Morgen verließ, schlief aber noch ein bisschen weiter, bis die Geräusche des zu neuem Leben erwachenden Lagers zu intensiv wurden.
Kurz nach dem Frühstück verließen wir das Basislager. Nur der Pilot blieb mit den schwersten Ausrüstungsgegenständen zurück. Parrish behauptete, dass Julia Sayre mindestens einen Tagesmarsch von der Landebahn entfernt begraben lag. Mit aufgeladenen Rucksäcken begannen wir unseren Weg in den Wald.
Wir kamen langsam voran. Der Wegweisung eines Mannes zu folgen, der Handschellen trug und schwer bewacht wurde – und vielleicht seine letzten Tage außerhalb eines Gefängnisses genoss –, war nur zum Teil der Grund für unser schleppendes Tempo.
Ben und David hatten neben den üblichen Campingartikeln einige spezielle Ausrüstungsgegenstände bei sich und trugen eine schwere Last.
Die Gruppe war groß, und die Erfahrenheit ihrer Mitglieder schwankte zwischen Anfängern und Experten. Ich schätze, ich lag irgendwo in der Mitte. Ich war schon oft gewandert, auch mit Gepäck, allerdings nicht in jüngster Zeit. J. C. der Ranger, war zweifellos der geübteste Wanderer, dicht gefolgt von Andy Flash, Houghton, David und Ben fielen dagegen geringfügig ab, waren aber sichtlich alle gewohnt, sich in der Natur zu bewegen. Bob Thompson und Phil Newly waren die offenkundigen Neulinge. Duke war der älteste der Wachmänner – er hatte mir ein Foto seines jüngsten Enkels gezeigt, und eine Geschichte aus seiner Schulzeit ließ mich vermuten, dass er Anfang fünfzig war. Er war in besserer Form als Merrick oder Manton, die beide erst Anfang dreißig waren. Earl, der sich altersmäßig irgendwo dazwischen befand, lag auch in puncto
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