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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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wird. Ich habe die Tür zum Treppenhaus blockiert, und selbst wenn sie es schaffen, sich den Weg freizumachen, habe ich auch noch die Tür zum Dach von dieser Seite aus gesichert. Mit einer ziemlich massiven Schließstange. Reist du?«
    Die Frage kam so unerwartet, dass ich keine Antwort gab.
    »In den Magazinen sämtlicher Fluggesellschaften werden diese kleinen Schmuckstücke angeboten«, erklärte er. »Etwas, das dazu dienen soll, dass man sich in seinem Hotelzimmer sicher fühlt. Die hier ist für den Industriegebrauch gedacht. Ich habe sie bei anderen Gelegenheiten schon sehr praktisch gefunden.«
    Ich überlegte, ob es irgendeinen anderen Weg zum oder vom Dach gab. Das Haus schloss nur an einer Seite an andere Gebäude an: eine Ladenzeile, die drei Stockwerke hoch war.
    »Ich besitze den einzigen Schlüssel«, fuhr Parrish fort. »Du und Dr. Sheridan, ihr seid meine Gefangenen, verstehst du. Die Stange hält zwar sicher nicht ewig, aber sie garantiert mir all die Zeit, die ich brauche.«
    »Sie haben nicht so viel Zeit, wie Sie glauben«, sagte ich.
    »Dann sollten wir sie so gut wie möglich nutzen. Erinnerst du dich an unser kleines Spiel in den Bergen? Lauf los, Irene.«
    Ich machte zwei Schritte, wirbelte dann herum und schleuderte mit aller Kraft das Handy nach ihm. Das Telefon wog nicht viel, doch ich traf mein Ziel, das mich anfunkelte und kaum mehr als drei Meter von mir entfernt war: seine Stirnlampe. Er jaulte auf und wirkte verblüfft, was mir ganz recht war. Erneut lief ich los, ohne abzuwarten, bis ich sah, ob ich noch weiteren Schaden angerichtet hatte.
    In den Bergen würde ich mich vielleicht nicht so gut schlagen, sagte ich mir, aber hier wäre es anders. Keine Höhe, keine Erschöpfung oder Entwässerung, die mich bremsten. Ich trug Laufschuhe und keine Bergstiefel. Die Bodenfläche war eben und relativ frei von Hindernissen. Ungünstig war jedoch, dass ich in einem Käfig herumlief.
    Ich erwog, mich in dem Raum zu verstecken, wo sich die Lichtschalter für die Landefläche befanden, kam aber dann zu dem Schluss, dass es günstiger für mich wäre, wenn ich wusste, wo er war, und mich frei bewegen konnte. Eine dunkle Zeile von Dachaufbauten führte zur nächsten, und jedes Mal, wenn ich um eine Ecke bog, fürchtete ich, ihm in die Arme zu laufen.
    Wo war Ben?
    Ich hörte, wie sich ein Hubschrauber näherte und Sirenen jaulten.
    Auf einmal wurde mir klar, dass Travis und Stinger, wenn sie wieder landeten, Gefahr liefen, von Parrish angeschossen – oder erschossen – zu werden. Jetzt musste ich wirklich unbedingt wissen, wo er war, und sie warnen. Doch wo konnte ich sichergehen, dass sie mich sahen, ohne mich selbst zur Zielscheibe zu machen?
    Ich steuerte auf die Fahnenmasten zu.
    Ich bestieg die Leiter vorsichtig, aber schnell, da ich fürchtete, Parrish am oberen Ende zu begegnen oder dass er von unten auf mich losginge.
    Zu meiner Erleichterung war kein Mensch auf diesem höchsten aller Aufbauten. Ich befand mich nun weitere acht oder zehn Meter über dem Dach. Unter mir vernahm ich ein Geräusch und sah Ben auf mich zukommen.
    Ich wandte den Blick von Ben ab, als ich den Hubschrauber näher kommen hörte. Ohne die offiziellen Signale dafür zu kennen, einen Hubschrauber zum Abdrehen zu bewegen, machte ich die universelle Abwehrgebärde, indem ich die Arme über dem Kopf nach vorne warf, verneinend den Kopf schüttelte und mit beiden Daumen nach unten wies. Ich versuchte sogar pantomimisch darzustellen, wie mit einer Pistole auf sie geschossen wurde. Ein Teil dieser miserablen Vorstellung musste zu ihnen durchgedrungen sein, da sie abdrehten, höher schwebten und sich seitlich zum Gebäude hielten. Allerdings verschwanden sie nicht ganz, und ich hatte immer noch Angst, dass Parrish auf sie schießen könnte.
    Ich sah Bens Kopf am oberen Ende der Leiter auftauchen und ging eilig zu ihm hinüber. »Gehen Sie weg!«, brüllte er auf einmal und schien den Halt mit den Füßen zu verlieren. Er umklammerte das Ende der Leiter, beugte sich aus der Taille heraus über das Sims und rang offenbar darum, sich hochzuziehen.
    Ich ignorierte seine Warnung und lief näher heran. Als ich über die Kante spähte, sah ich, dass Parrish, der hinter ihm die Leiter hochkam, Bens rechtes Bein von der Sprosse gerissen hatte und versuchte, ihn hinabzuwerfen.
    Parrish war nicht weit von mir entfernt, aber nun hielt er mit dem rechten Arm beide Beine von Ben umfasst. Mit der linken Hand umklammerte er das Gestell

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