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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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hat die Beine der Empfangsdame des Arztes dort abgetrennt, wo er die Leichen abgelegt hat – weit weg von Phil Newlys Haus.«
    »Ich habe diese Oberschenkelknochen untersucht«, fügte Ben hinzu. »Sie sind nicht zersägt worden, als die Leichen noch frisch waren.«
    »Ihr glaubt also, er sei unschuldig?«, fragte ich.
    »Ich behaupte weder, dass er schuldig noch dass er unschuldig ist«, entgegnete Frank. »Bis jetzt haben wir keinerlei Fragmente in Newlys Haus gefunden, die zu den Oberschenkelknochen gepasst hätten. Aber wir hatten ja noch nicht einmal zwölf Stunden Zeit, um uns umzuschauen. Newly ist noch nicht aus dem Schneider. Man kann nicht derartiges Beweismaterial finden, ohne Fragen nach dem Besitzer des Hauses zu stellen. Newly hat uns noch eine ganze Menge zu erklären.«
    Als wir von der Leiter herabgestiegen waren, sah ich eine vertraute Gestalt mit niedergeschlagener Miene abseits des ganzen Aufruhrs stehen. Ich ging hinüber.
    »Leonard? Was ist los?«
    »Ich hab Sie hängen lassen«, sagte er und blickte nervös zu Frank und dann auf seine glänzenden schwarzen Schuhe hinab. »Er hat mich mit dem ältesten Trick aller Zeiten überlistet, und ich bin darauf reingefallen.«
    »Was reden Sie denn da?«
    Er seufzte von seinen Schuhen bis nach oben und antwortete: »Parrish. Er hat eine Mülltonne an der Laderampe in Brand gesteckt. Als ich nachsehen gegangen bin, muss er die Treppe raufgeschlichen sein.«
    »Hat das Feuer irgendwelche Schäden verursacht?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Na, das ist doch gut, oder?«
    »Ich habe Ihnen versichert, ich würde ihn nicht hier reinlassen, und dann habe ich es doch getan.«
    »Er ist monatelang der gesamten Polizeitruppe entwischt«, sagte Frank, was Leonard veranlasste, zu ihm aufzublicken. »Kein Mensch hätte erwartet, dass ein einzelner Polizist imstande wäre, ihn aufzuhalten.«
    Da machte ich sie offiziell miteinander bekannt, und Frank bedankte sich bei Leonard. »Zu wissen, dass Sie alles im Auge behalten, hat es mir wesentlich leichter gemacht, Irene nachts allein hier arbeiten zu lassen.«
    »Ehrlich?«, fragte Leonard und fügte dann rasch hinzu: »Ich tue mein Bestes, Sir.«
    »Mehr verlangt auch keiner«, erklärte Frank.
    »Einzelner Polizist?«, fragte ich nachher, als Leonard außer Hörweite stolziert war.
    »Ich hatte Angst, er würde sich über die Brüstung stürzen.«
    Nachdem John Walters seinem Ärger darüber Luft gemacht hatte, dass unsere wilde Jagd auf dem Dach nach Redaktionsschluss stattgefunden hatte, bat er mich, für eine morgendliche Sonderausgabe einen Artikel zu schreiben. Gegen die Proteste meiner versammelten Beschützer willigte ich ein, da ich Wrigley beweisen wollte, dass ich mir keinen Platz auf der Titelseite entgehen ließe, nur weil er mir eine Schicht nach Redaktionsschluss aufgehalst hatte.
    Frank, Ben, Travis und Stinger weigerten sich, mich allein in der Redaktion bleiben zu lassen. Jack kam mit einer Flasche Champagner vorbei, und trotz Leonards Warnungen, dass die Betriebsvorschriften Alkohol auf dem Gelände strikt verboten (»Ich bin nicht hier, ich sehe das nicht«, erklärte er), tranken wir auf gute Freunde, auf anwesende und auf solche, die nicht mehr da waren. John gesellte sich zu uns.
    Wie wir anhand der Überwachungsvideos sahen, war Parrish von der Laderampe aus ins Haus gelangt. Er trug eine Baseballkappe, hatte einen Werkzeugkasten dabei und marschierte zielstrebig an Männern vorbei, die mit dem Problem beschäftigt waren, Zeitungen auszuliefern, die verspätet von den Druckmaschinen kamen. Er legte das Feuer neben einer zweiten Kamera, sodass es Leonard garantiert bemerken würde.
    Ich sah, wie er dann einige Zeit darauf verwendete, es anderen verdammt schwer zu machen, uns aufs Dach zu folgen. Er hatte die letzte Innentür verbarrikadiert, die zu den Treppen aufs Dach führte, und an der Tür zum Dach selbst hatte er eine schwere Schließstange angebracht.
    Ich rief im Krankenhaus an und erkundigte mich nach dem neuesten Stand. Nicholas Parrish befand sich in kritischem Zustand und hatte schwere Verletzungen, vor allem an Kopf und Genick. Ich fragte mich, ob im Falle seines Todes abgesehen von seinem Helfer irgendjemand sein Ableben bedauern würde.
    »Ben«, fragte Travis, »als das ganze Gewicht an Ihrer Prothese hing, warum hat sich da die Fassung nicht früher gelöst?«
    »Sie wird durch Saugkraft gehalten«, erklärte er. »Wenn ich nicht den Mechanismus auslöse, geht sie nicht ab. Aus

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