Grabesstille
der Leiter. Er versuchte, Ben von der Leiter zu ziehen. Ich beugte mich über die Kante, hielt das Gestell fest und ließ den größten Teil meines Gewichts auf dem Sims. Ich packte Bens Gürtel und versuchte, Parrishs Drehbewegung entgegenzuwirken. Das Blut stieg mir in den Kopf, aber angesichts unseres vereinten Widerstands kam Parrish nicht weiter.
Er stieg eine weitere Sprosse hinauf, sodass sein Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt war.
»Jetzt habe ich euch beide. Wenn ich einmal fest ziehe, fallt ihr runter. Nicht schlecht für einen Höschenschnüffler, was?« Er schnellte nach oben und leckte mir übers Gesicht.
Ich ließ Bens Gürtel los und schlug Nick Parrish fest auf die Nase. Sie begann wie verrückt zu bluten, und einen Moment lang lockerte er seinen Griff um Ben. Ben erwischte mit dem rechten Bein eine Leitersprosse, während Parrish mich wütend anschrie. Ich nutzte diesen Moment aus, da ich auf annähernde Blindheit bei Parrish hoffte, und fasste nach der Pistole in seinem Schulterhalfter. Nun ließ er Ben mit der rechten Hand los, aber nicht schnell genug. Ich machte die Pistole aus dem Halfter los. Er umfasste brutal mein Handgelenk, und ich ließ die Pistole auf die Dachfläche unter mir fallen.
Er versuchte, mich über die Kante zu ziehen. Ben, der ein bisschen höher gekommen war, landete mit seinem Flex-Foot einen heftigen Tritt in Parrishs Leistengegend. Offenbar verfehlte er die Eier, aber nicht den Hahn, da Parrish grunzte und mein Handgelenk losließ, jedoch nicht herunterfiel. Hastig griff Parrish erneut nach Bens Beinen, schaffte es aber nur, die Prothese zu fassen zu bekommen, die ihn soeben erst verletzt hatte. Ich packte sie an ihrem Ansatz und versuchte Ben nach oben zu ziehen, während Ben sich verzweifelt an die oberste Sprosse klammerte und nach Parrishs linkem Arm trat.
Über uns erschien ein helles Licht, verbunden mit Lärm und Wind. Der Hubschrauber war direkt über uns. Ich konnte seine Insassen nicht sehen, wusste aber, dass sie uns nicht allzu nahe kommen konnten – auf diesem Teil des Dachs befanden sich zu viele Masten, Leitungen und andere Hindernisse. Die Fahnen knatterten laut im Wind, und die Drahtseile schlugen durchdringend Alarm.
»Nach links!«, schrie ich Ben zu, ohne zu wissen, ob er mich hören konnte. Doch unabhängig davon platzierte er seinen nächsten Tritt besser und landete einen harten Treffer auf Parrishs linkem Arm.
Parrish verlor den Halt und wäre beinahe gefallen, doch er hielt nach wie vor den Flex-Foot fest, während er versuchte, wieder Tritt zu fassen. Er schaffte es, die Füße auf eine Sprosse in der Mitte der Leiter zu stellen. Ben hatte sein rechtes Bein weiter nach oben und damit außer Reichweite gehoben und rang nun darum, sich hochzuziehen, während Parrish sein gesamtes Gewicht an Bens linkes Bein hängte. Den Flex-Foot nach wie vor in der linken Hand, grinste er und löste auf einmal seine Rechte von Ben, sodass sie frei war. Doch anstatt nach der Leiter zu fassen, griff er nach seinem Messer.
»Ich mache ihn zum zweifach Amputierten«, erklärte Parrish, wobei seine blutige Nase seine Stimme seltsam klingen ließ. »Aber vielleicht schneide ich erst dir die Finger ab.«
Während ich unwillkürlich die Finger krümmte, spürte ich einen Metallknopf unter ihnen. Die Entriegelung des Verschlusses. Ich drückte ihn.
Ich vernahm ein Klicken und sah, wie sich auf Parrishs blutverschmiertem Gesicht ein Blick des Entsetzens breit machte, als sich Fassung und Flex-Foot voneinander lösten.
Wild schlug er mit dem Messer in die Luft, als er mit einem lauten Krachen rückwärts aufs Dach fiel.
Danach bewegte er sich nicht mehr.
59
MITTWOCH, 27. SEPTEMBER, 1 UHR 55
Las Piernas
Ben zog sich auf das Sims. Ich setzte mich auf. Mir war ganz schwindlig vom Nach-unten-Hängen. Beide waren wir außer Atem.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich.
Er nickte. »Und bei Ihnen?«
»Auch. Tut mir Leid um Ihren Fuß.«
»Dem fehlt wahrscheinlich gar nichts. Aber nach der ganzen Mühe, hier hochzukommen, werde ich den Teufel tun, jetzt wieder runterzuklettern und nachzusehen, ob er beschädigt ist.«
»Ich glaube, jemand wird ihn Ihnen bringen«, erklärte ich und zeigte auf die Stelle, wo der Hubschrauber landete.
Zur gleichen Zeit hörten wir ein lautes Krachen, das uns zusammenzucken ließ – das Sondereinsatzkommando hatte es geschafft, die Tür zum Dach aufzubrechen. In null Komma nichts war Parrish umstellt. Als
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