Grabesstille
liegen!«
»Erzählen Sie mir, was passiert ist!«
»Parrish –«
»Wir wissen, dass er die anderen umgebracht hat. Konnte sonst noch jemand entkommen?«
»Nein«, antwortete Ben matt. »Abgesehen von Andy und J. C. – die waren Gott sei Dank nicht bei uns. Parrish hat uns heute Morgen aufgespürt, nachdem er einen Baum gefällt hat. Sie hat mich hier drinnen versteckt und versucht, ihn von mir abzulenken. Ich – ich wollte nicht, dass sie das tut! Aber ich kann nicht gehen, und –«
»Wir wissen, wie stur sie sein kann«, erklärte Jack. »Wohin ist sie gegangen?«
»Wieder über den Bach, glaube ich. Ich habe Schüsse gehört, und dann kam Bingle zu mir, aber vielleicht hat Parrish nur auf den Hund geschossen. Ich glaube, ich habe nach den Schüssen noch gehört, wie sie ihn angeschrien hat.«
»Zieh los, Frank«, sagte Jack. »Travis und ich können uns um Dr. Sheridan kümmern. Ich rufe Stinger und frage ihn, ob er jetzt abheben und Ausschau halten kann. Der Nebel hat sich verzogen.«
»Sie sprechen doch Spanisch, oder?«, fragte Ben Frank.
»Ja.«
»Nehmen Sie Bingle mit. Er hat ein paar harte Tage hinter sich, aber er ist auf Suchen und Bergen trainiert.«
»Ich habe David einmal mit ihm arbeiten sehen«, sagte Frank. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob Bingle auf mich hören wird.«
»Er wird nie mit irgendjemandem so gut zusammenarbeiten wie mit David. David –« Einen Moment lang schien er nicht weitersprechen zu können. »Bitte nehmen Sie Bingle mit – einen Versuch ist es wert. Ich glaube, der Befehl heißt ›Such sie‹, und fragen Sie ihn ›Wo ist Irene?‹ Loben Sie ihn viel, machen Sie ein Spiel daraus. Er braucht keine Leine. Ich glaube, er hängt sehr an Irene. Ich hatte das Gefühl, dass er ohnehin nach ihr suchen wollte – er hat sich sehr besorgt gegeben.«
»Bittet Stinger, so bald wie möglich mit dem Hubschrauber hier hochzukommen«, sagte Frank und rief nach Bingle.
Der Hund zögerte und sah zu Ben zurück.
»Wie sage ich ›Geh mit ihm‹?«, erkundigte sich Ben.
»Ve con él«, sagte Travis.
Ben wiederholte den Satz als Befehl an Bingle und zeigte auf Frank. Er wiederholte den Satz dreimal, bis Bingle schließlich dort hinaufkletterte, wo Frank wartete.
Frank sah, dass der Hund jetzt auf ihn konzentriert war und fast ungeduldig wirkte. Er versuchte, sich an alles zu erinnern, was er David mit dem Hund hatte tun sehen.
»Travis, hast du Deke und Dunk im Griff?«, fragte er.
»Alles klar«, erwiderte Travis.
»Bingle«, sagte Frank. »¿Estás listo?«
Bingle bellte und wedelte mit dem Schwanz.
Frank hielt ihm das Hemd hin, das er im Zelt gefunden hatte, und hoffte, dass Irene es vor kurzem noch getragen hatte.
Der Hund schnupperte daran.
»¿Dónde está Irene? ¿Dónde está Irene? ¡Búscala!«
Bingle bellte und raste auf den Bach zu.
28
FREITAG MORGEN, 19. MAI
Bergland der südlichen Sierra Nevada
Zuerst dachte ich an gar nichts außer an Flucht.
Ich rannte blind los, in den Nebel, durch die Bäume. Nebel und Wald waren mir Schutzschild und Hindernis zugleich: Gemeinsam verbargen sie mich vor ihm, aber ihretwegen konnte ich nicht einfach ungehindert mit höchstem Tempo davonlaufen.
Zu Hause lief ich fast jeden Tag am Strand, aber hier gab es nur wenige flache und glatte Strecken. Die Höhe, der Schlamm und die Unebenheit des Geländes waren nur ein Teil des Problems – ich war ja nicht gerade frisch und munter losgelaufen. Aber trotz meiner Erschöpfung rannte ich mit voller Kraft. Eine Zeit lang war die Bedrohung, Nick Parrish ausgeliefert zu sein, genug, um mich voranzutreiben.
Zuerst rief er meinen Namen und schrie mir Dinge nach. Alles in allem tat er sein Bestes, um mich zu erschrecken und zu verstören.
»Kannst du denn nicht schneller laufen?«
»Du wirst langsamer! Ich krieg dich!«
»Ich komme näher, Irene!«
Als ich mich umblickte, stieß ich gegen eine Wurzel und kam ins Stolpern. Ich zerkratzte mir Handflächen und Finger, als ich einen Ast packte, um einen Sturz zu verhindern. Ungeschickt fand ich mein Gleichgewicht wieder, bevor ich zu Boden fiel. Das war mir eine Lehre. Danach bewegte ich mich vorsichtiger.
Sogar an den Stellen, wo der Boden trockener war, bildeten die Kiefernnadeln eine glitschige Schicht unter meinen Füßen. Mein kleiner Rucksack schlug mir immer wieder gegen den Rücken. Die Wanderstiefel gaben nicht so nach, wie es Laufschuhe getan hätten, und mit ihnen fühlte sich der Boden unter meinen
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