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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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Füßen anders an, daher lief ich unsicher. Schon bald schienen mir die Stiefel aus Blei zu sein, und meine Beine waren schwer und lahm.
    Mit der Zeit wurde ich ganz benommen. Und obwohl mir Parrish anfangs sehr nah gewesen zu sein schien, kam es mir nun so vor, als würde ich den Abstand zwischen uns vergrößern. Seine Stimme ertönte nicht mehr so oft, und die Worte waren weniger deutlich. Schon bald stellte er das Schreien ganz ein.
    Ich rannte. Meine Muskeln wollten nicht mehr und schmerzten, der Atem kam in abgehackten Stößen, die in meine Rippen zu stechen schienen, wenn sie die Lunge erreicht hatten. Meine Waden verkrampften sich. Mein Mund fühlte sich an, als wäre er voll halb getrocknetem Leim, und meine Finger kribbelten.
    Ich reduzierte mein Tempo, lief aber weiter – oder vielmehr schleppte mich dahin. Ich konnte ihn weder sehen noch hören. Das beunruhigte mich. Wo war er? War er an mir vorbeigezogen? Oder war es mir gelungen, ihm zu entkommen? Hatte ihn die Verletzung an der Schulter doch geschwächt? Ich war mir sicher, dass ich ihn ganz in der Nähe hörte, bis mir klar wurde, dass ich die Geräusche hörte, die ich selbst beim Laufen machte.
    Ich rutschte erneut aus, fand die Balance wieder, nahm meinen Rucksack ab und schloss ihn vor dem Körper in die Arme wie einen Fußball. Nun konnte er meinen Rücken nicht mehr traktieren, aber beim nächsten Ausrutscher bohrten sich sämtliche Gegenstände darin in meine Rippen.
    Ich rannte weiter. Es fiel mir schwer, klar zu denken, und ich hatte völlig die Orientierung verloren. War ich im Kreis gelaufen? Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich von Parrish wegrannte, sondern kam mehr und mehr zu der Überzeugung, dass ich direkt auf ihn zulief. Ich hörte den Bach und versuchte ihm zu folgen, während ich mir immer sicherer wurde, dass er sehr, sehr nahe war.
    Meine Haare waren nass von Matsch und Nebel und klatschten mir beim Laufen immer wieder ins Gesicht. Ich versuchte, sie mir aus den Augen zu halten, und rannte weiter.
    Ich rannte, bis ich stürzte – schwer.
    Ich war mir nicht ganz sicher, was geschehen war – meine Beine schienen einfach nachzugeben. Beim Sturz zerkratzte ich mir Knie, Unterarme und Gesicht. Ich wollte aufstehen, aber nichts gehorchte mir. In meinen Gliedern war keine Kraft mehr; alles zitterte oder schmerzte, und mir war speiübel. Es war, als hätte ich urplötzlich eine schlimme Grippe bekommen.
    Ich lag in einem Dickicht. In der Nähe konnte ich den Bach hören. Ich tastete nach meiner Wasserflasche und stellte erstaunt fest, dass ich sie noch hatte – und meinen kleinen Rucksack. Mit zitternden Händen schaffte ich es, sie aufzuschrauben und zu trinken. Ich leerte die Flasche, hatte aber immer noch Durst.
    Ich musste einsehen, dass mich nicht einmal Panik weiter antreiben konnte. Ich kroch zum Bach und fand einen großen, flachen Felsen, der nur wenige Zentimeter aus dem Wasser ragte. Ich legte mich darauf. Die Welt schien sich trunken um mich zu drehen. Ich war schweißgebadet, und mein Atem kam in schmerzhaften und viel zu lauten, keuchenden Stößen. Mein Puls raste, und mein Herz hämmerte dazu. Nick Parrish hätte eine Kanone auf mich abfeuern können, und ich hätte es nicht gehört.
    Der Bach floss an dieser Stelle zu schnell, um gefahrlos hineinsteigen zu können, aber ich beugte mein Gesicht zu ihm herab und schaufelte mir sein kaltes Wasser in den Mund. Ich trank und trank. Ich war zu durstig, um mir die Zeit zu nehmen, Wasser zu filtern – wenn ich dafür in zwei Wochen mit einem Anfall von Dünnpfiff bezahlen musste, würde ich Gott für die Gnade danken.
    Die Gischt, die vom Bach aufschoss, wo er in seinem Bett auf Felsen traf, fühlte sich gut an. Ich begann mir Wasser über Gesicht, Arme und Beine zu spritzen. Ich badete meine Kratzer darin und linderte manchen Schmerz. Ich tauchte den Kopf hinein, spürte, wie mir das eisige Wasser über den obersten Teil von Stirn und Kopfhaut rann, und wusch mir den Schlamm aus den Haaren. Erfrischt machte ich mir die Mühe, mithilfe des Filters meine Wasserflasche wieder zu füllen, und trank erneut.
    Dann legte ich mich hin. Für einen Zeitraum, der mir ziemlich lang vorkam, war ich außerstande, mehr zu tun. Ich hatte immer noch entsetzliche Angst vor Parrish, doch zwischen meiner Angst und meiner Bereitschaft, etwas dagegen zu tun, stand eine Barriere aus Erschöpfung und Wassermangel.
    Schließlich versuchte ich aufzustehen und zu gehen. Jeder Muskel und jedes

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