Grabkammer
zusammen in der Gegend gesehen. Sie hielten sich oft mehrere Wochen lang im Haus auf und verschwanden dann wieder für einige Monate.«
»Ich habe ja schon von Serienmörder-Ehepaaren gehört.
Aber Bruder und Schwester?«
»Da ist die gleiche Dynamik am Werk. Eine schwache Persönlichkeit, kombiniert mit einer starken. Jimmy war der dominante Partner, so überlegen, dass er Menschen wie seine Schwester und Bradley Rose total beherrschen konnte. Als Bradley noch lebte, war er Jimmys Handlanger bei der Jagd nach immer neuen Opfern. Er konservierte die Leichen und fand geeignete Orte, um sie zu lagern.«
»Er war also nur Jimmys Gefolgsmann.«
»Nein, sie profitierten beide von der Beziehung. Das ist Dr. Hilzbrichs Theorie. Jimmy verwirklichte seine Teenagerfantasien von einer Sammlung toter Frauen, während Bradley seine Fixierung auf Medea Sommer auslebte. Sie war es, was beide verband – die eine, die sie beide wollten, die sie aber nie haben konnten. Auch nach Bradleys Tod hörte Jimmy nie auf, nach ihr zu suchen.«
»Aber stattdessen fand er ihre Tochter.«
»Wahrscheinlich stieß er in der Zeitung auf Josephines Foto.
Sie ist Medea wie aus dem Gesicht geschnitten, und auch vom Alter her kommt sie als ihre Tochter in Frage. Sie ist sogar auf demselben Forschungsgebiet tätig. Es war wohl kein großes Problem für ihn herauszubekommen, dass Josephine nicht die war, für die sie sich ausgab. Also beobachtete er sie und wartete ab, ob ihre Mutter sich irgendwann zeigen würde.«
Frost schüttelte den Kopf. »Schon verrückt, wie besessen dieser Typ von Medea war. Man sollte doch meinen, dass er nach so vielen Jahren irgendwann darüber hinweggekommen wäre.«
»Denk doch mal an Kleopatra. Oder die schöne Helena.
Auch von ihnen waren Männer besessen.«
»Die schöne Helena?« Er lachte. »Diese Archäologie-Geschichte hat wohl bei dir ihre Spuren hinterlassen. Du hörst dich schon an wie Dr. Robinson.«
»Was ich damit sagen will, ist, dass Männer nun einmal zu solchen Fixierungen neigen. Wie oft kommt es vor, dass ein Typ einer Frau jahrelang nachläuft.« Mit sanfter Stimme fügte sie hinzu: »Selbst einer Frau, die ihn gar nicht liebt.«
Er lief rot an und wandte das Gesicht ab.
»Manche Menschen können die Vergangenheit einfach nicht hinter sich lassen«, sagte sie, »und sie vergeuden ihre Lebenszeit mit dem Warten auf einen Menschen, den sie nun einmal nicht haben können.« Sie dachte an Maura Isles – auch sie begehrte jemanden, den sie nicht haben konnte. Auch sie war eine Gefangene ihrer eigenen Gefühle, ihrer eigenen unglücklichen Partnerwahl. An dem Abend, als Maura ihn so dringend gebraucht hätte, war Daniel Brophy nicht für sie da gewesen.
Stattdessen hatte Anthony Sansone sie in sein Haus aufgenommen. Es war Sansone gewesen, der Jane angerufen hatte, um sich zu versichern, dass er Maura bedenkenlos nach Hause gehen lassen konnte. Manchmal, dachte Jane, ist der Mensch, der einen am glücklichsten machen könnte, ausgerechnet derjenige, den man immer übersieht, derjenige, der stumm und geduldig auf seine Chance wartet.
Sie hörten ein Klopfen an der Tür, und Alice trat ein. In ihrem eleganten Kostüm sah sie noch blonder und noch umwerfender aus, als Jane sie in Erinnerung hatte, doch ihre Schönheit war ohne Wärme. Sie wirkte wie eine Marmorstatue, perfekt geformt, aber nur zum Bewundern gedacht, nicht zum Berühren.
Die Begrüßung der beiden Frauen war angespannt, aber höflich, wie zwischen zwei Rivalinnen um die Gunst ein und desselben Mannes. Über Jahre hatten sie sich Frost geteilt, Jane als sein Partner, Alice als seine Ehefrau, und dennoch hatte Jane nicht das Gefühl, dass irgendetwas sie mit dieser Frau verband.
Sie stand auf, um zu gehen, doch als sie zur Tür kam, konnte sie sich eine spitze Bemerkung zum Abschied nicht verkneifen.
»Seien Sie nett zu ihm. Er ist ein Held.«
Frost hat mich gerettet, und jetzt werde ich ihn retten müssen, dachte Jane, als sie das Krankenhaus verließ und in ihren Wagen stieg. Alice würde ihm das Herz brechen, so brutal und effektiv, als ob sie es in flüssigen Stickstoff tauchen und dann mit einem gezielten Hammerschlag zerschmettern würde. Jane hatte es in Alice’ Augen gesehen – die grimmige Entschlossenheit einer Frau, die innerlich schon mit ihrer Ehe abgeschlossen hat und nur gekommen ist, um noch die letzten Details zu regeln.
Heute Abend brauchte er jemanden, der es gut mit ihm meinte. Sie würde später noch
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