Grabkammer
Grund, weshalb du sie in deine Gewalt gebracht hast, der Grund, weshalb du diese Spielchen mit der Polizei spielst. Also, hier bin ich. Lass sie gehen, und ich gehöre dir.«
»Tatsächlich?« Er stieß Josephine von sich, und sie brachte sich humpelnd in Sicherheit. Dann richtete er seine Waffe auf Medea. Doch selbst als der Lauf auf sie zielte, gelang es ihr noch, absolute Gelassenheit auszustrahlen. Sie warf Jane einen Seitenblick zu, der sagte: letzt habe ich seine Aufmerksamkeit.
Den Rest musst du übernehmen. Sie trat einen Schritt auf Jimmy zu, auf die Waffe, die auf ihre Brust gerichtet war. Ihre Stimme war jetzt samtig, fast verführerisch. »Du warst genauso scharf auf mich wie Bradley. Stimmt’s? Das habe ich in deinen Augen gesehen, schon bei unserer ersten Begegnung. Ich habe gesehen, was du gerne mit mir gemacht hättest. Das Gleiche, was du mit all diesen anderen Frauen gemacht hast. Hast du sie gevögelt, als sie noch gelebt haben? Oder hast du gewartet, bis sie tot waren? Denn so magst du sie ja, nicht wahr? Kalt. Tot.
Dein in alle Ewigkeit.«
Er starrte sie nur schweigend an, während sie langsam näher kam. Während sie ihm die verlockenden Möglichkeiten vor Augen führte. Jahrelang hatten er und Bradley sie gejagt, und hier war sie nun endlich, zum Greifen nahe. Sie könnte ihm gehören, ihm allein.
Janes Waffe lag nur wenige Schritte entfernt auf der Erde.
Sie schob sich Zentimeter um Zentimeter darauf zu und ging im Kopf jede einzelne Bewegung durch. Fallen lassen und blitzschnell nach der Waffe greifen. Schießen. Und das alles nur mit der linken Hand. Sie würde vielleicht einen, allenfalls zwei Schüsse abgeben können, ehe Jimmy das Feuer erwiderte.
Egal wie schnell ich bin, dachte sie, es wird mir nicht gelingen, ihn rechtzeitig auszuschalten. Entweder Medea oder ich – eine von uns wird diesen Tag wahrscheinlich nicht überleben.
Medea ging weiter auf Jimmy zu. »All die Jahre wart ihr hinter mir her«, sagte sie leise. »Jetzt bin ich hier, und du willst eigentlich nicht, dass hier und heute alles zu Ende ist, nicht wahr? Du willst gar nicht, dass die Jagd vorbei ist.«
»Aber sie ist vorbei.« Er hob die Pistole, und Medea verharrte regungslos. Dies war das Ende, vor dem sie all die Jahre davongelaufen war, ein Ende, das sie weder durch Flehen noch durch Verführung aufschieben konnte. Falls sie geglaubt hatte, sie könne durch ihr Eingreifen das Monster unter ihre Kontrolle bringen, dann musste sie jetzt ihren Irrtum einsehen.
»Es geht nicht darum, was ich will«, sagte Jimmy.
»Ich habe versprochen, diese Sache zu Ende zu bringen, und ich werde sie zu Ende bringen.« Seine Unterarmmuskeln spannten sich an, als sein Finger sich um den Abzug krümmte.
Jane hechtete nach ihrer Waffe. Doch im gleichen Moment, als ihre linke Hand sich um den Griff schloss, krachte ein Schuss. Sie drehte sich um die eigene Achse, und die nächtliche Szene zog in Zeitlupe an ihr vorbei, während ein Dutzend Einzelheiten gleichzeitig ihre Sinne bestürmten. Sie sah Medea in die Knie gehen, die Arme schützend vor dem Gesicht gekreuzt. Sie spürte die Hitze der lodernden Flammen und das ungewohnte Gewicht der Waffe in ihrer linken Hand, als sie den Arm hob und zielte.
Doch im Moment des Abdrückens sah sie, dass Jimmy Otto schon wankte – dass ihre Kugel einen Körper traf, der bereits aus einer anderen Schusswunde blutete.
Seine Silhouette zeichnete sich vor dem Flammenmeer ab, als er mit ausgestreckten Armen ein paar Schritte rückwärts torkelte und nach hinten kippte wie ein gefällter Baum. Er fiel über die Motorhaube des brennenden Wagens, und seine Haare fingen Feuer. Binnen Sekunden war sein Kopf in Flammen eingehüllt. Mit einem schrillen Schrei wich er vom Wagen zurück.
Dann wurde sein Hemd von den Flammen erfasst. In einem qualvollen Todestanz taumelte er noch ein paar Schritte über den Hof und brach dann zusammen.
»Nein!« Carrie Ottos schmerzerfülltes Aufstöhnen war kaum noch ein menschlicher Laut, es war der kehlige Schrei eines sterbenden Tieres. Quälend langsam schleppte sie sich auf ihren Bruder zu und zog dabei eine Blutspur auf dem Kies hinter sich her.
»Lass mich nicht allein, Baby. Lass mich nicht allein!« Sie wälzte sich auf seinen reglosen Körper, ohne auf die Flammen zu achten, und versuchte verzweifelt, das Feuer zu ersticken.
»Jimmy. Timmy!«
Ihr Haar und ihre Kleider fingen Feuer, der Stoff brannte sich bereits in ihre Haut, und noch immer klammerte
Weitere Kostenlose Bücher