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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sie sich im Todeskampf an ihren sterbenden Bruder. So lagen sie eng umschlungen, und ihre Leiber verschmolzen miteinander, als die Flammen sie langsam verzehrten.
    Medea erhob sich unverletzt. Doch ihr Blick war nicht auf die brennenden Leichen von Jimmy und Carrie Otto gerichtet, sondern auf den Waldrand.
    Auf Barry Frost, der mit dem Rücken an einem Baumstamm zusammengesackt war, die Waffe noch in der Hand.
     
    Barry Frost fühlte sich in der Rolle des Helden sichtlich unwohl.
    Er wirkte eher verlegen als heldenhaft, wie er da in seinem Krankenhausbett saß, nur mit einem dünnen OPHemd bekleidet. Vor zwei Tagen war er ins Boston Medical Center verlegt worden, und seither waren Kollegen und Freunde in Scharen an sein Lager gepilgert, um ihm zu seiner Tat zu gratulieren und ihm gute Besserung zu wünschen, vom Polizeipräsidenten bis hin zum Kantinenpersonal des Boston PD. Als Jane an diesem Nachmittag ins Krankenhaus kam, sah sie inmitten des Dschungels aus Blumengestecken und bunten Luftballons in seinem Zimmer schon drei andere Besucher sitzen. Alle lieben Frost, dachte sie, als sie die Szene von der Tür aus betrachtete, kleine Kinder genauso wie ältere Damen. Und sie verstand auch, warum. Er war der hilfsbereite Pfadfinder, der ohne zu murren für seinen Nachbarn den Schnee vom Gehsteig schippte, einem liegen gebliebenen Autofahrer Starthilfe gab oder auf einen Baum kletterte, um eine Katze zu retten.
    Und manchmal rettet er einem sogar das Leben.
    Sie wartete, bis die anderen Besucher gegangen waren, ehe sie schließlich eintrat. »Kannst du noch eine mehr ertragen?«, fragte sie.
    Er sah sie an und lächelte matt. »Hi. Ich hatte gehofft, du würdest noch ein bisschen dableiben.«
    »Du scheinst ja ungeheuer begehrt zu sein. Ich musste mich an deinen ganzen Groupies vorbei kämpfen, um überhaupt zu dir durchzukommen.« Mit dem Gips am rechten Arm kam Jane sich unbeholfen vor, als sie einen Stuhl ans Bett rückte und sich hinsetzte. »Mann, wir beide geben vielleicht ein Bild ab«, meinte sie. »Die zwei verwundeten Veteranen nach der Schlacht.«
    Frost fing an zu lachen, musste sich aber sofort bremsen, als die Schmerzen in seiner frischen Bauchnarbe wieder aufflammten. Er beugte sich im Bett vor und verzog das Gesicht.
    »Ich hole die Schwester«, erbot sie sich.
    »Nein.« Frost hob die Hand. »Das halte ich schon aus. Ich will nicht noch mehr Morphium.«
    »Ach, was soll denn das Macho-Gehabe? Nimm das Zeug, sag ich.«
    »Ich will nicht mit Medikamenten vollgepumpt werden.
    Ich brauche heute Abend einen klaren Kopf.«
    »Wozu?«
    »Alice kommt mich besuchen.«
    Es tat weh, den hoffnungsvollen Unterton in seiner Stimme zu hören, und sie wandte sich rasch ab, damit er das Mitleid in ihren Augen nicht sehen konnte. Alice verdiente diesen Mann nicht. Er war einer der Guten, einer der Anständigen, und genau deswegen würde er mit gebrochenem Herzen zurückbleiben.
    »Vielleicht sollte ich lieber gehen«, sagte sie.
    »Nein. Noch nicht. Bitte.« Ganz behutsam lehnte er sich in die Kissen zurück und atmete vorsichtig aus. Dann versuchte er eine muntere Miene aufzusetzen und fragte: »Na, was gibt’s Neues von unserem Fall?«
    »Wir haben jetzt die Bestätigung. Debbie Duke war tatsächlich Carrie Otto. Laut Mrs. Willebrandt tauchte Carrie im April zum ersten Mal im Museum auf und bot ihre Dienste als ehrenamtliche Mitarbeiterin an.«
    »Im April? Also kurz nachdem Josephine eingestellt wurde.«
    Jane nickte. »Schon nach wenigen Monaten hatte Carrie sich im Museum unentbehrlich gemacht. Sie muss Josephines Schlüssel gestohlen haben. Vielleicht war sie es auch, die die Tüte mit den Haaren in Mauras Garten deponierte. Sie verschaffte Jimmy freien Zugang zum Gebäude. Sie und ihr Bruder waren in jeder Hinsicht ein Team.«
    »Was bringt eine Schwester dazu, mit einem Bruder wie Jimmy gemeinsame Sache zu machen?«
    »Davon haben wir an diesem fatalen Abend einiges zu sehen bekommen. Abnorme Geschwisterbindung, so hat es der Therapeut in Jimmys Psychiatrieakte formuliert. Ich habe gestern mit Dr. Hilzbrich gesprochen, und er sagte, Carrie sei mindestens so krankhaft veranlagt gewesen wie ihr Bruder. Sie hat alles für ihn getan – vielleicht hat sie sogar für ihn die Kerkermeisterin gemacht. Die Spurensicherung hat in diesem Keller in Maine diverse Haare und Fasern sichergestellt. Auf der Matratze waren Blutflecken von mehr als einem Opfer. Die Nachbarn sagen, sie hätten Jimmy und Carrie des Öfteren

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