Grabkammer
einmal vorbeischauen, um die Scherben aufzulesen.
Als sie den Motor anließ, klingelte ihr Handy. Die Nummer war ihr unbekannt.
Wie auch die Stimme des Mannes, der sich am anderen Ende meldete. »Ich glaube, Sie haben einen großen Fehler gemacht, Detective«, sagte er.
»Verzeihung – mit wem spreche ich, bitte?«
»Detective Potrero, San Diego PD. Ich habe gerade mit Detective Crowe telefoniert und gehört, was sich da drüben abgespielt hat. Sie behaupten, Sie hätten Jimmy Otto aus dem Verkehr gezogen.«
»Das war nicht ich, sondern mein Partner.«
»Na, ist ja auch egal, aber wen Sie auch immer erschossen haben, es war nicht Jimmy Otto. Weil der nämlich vor zwölf Jahren hier in San Diego gestorben ist. Ich habe die Ermittlung damals geleitet, deswegen weiß ich es ganz genau. Und ich muss die Frau vernehmen, die ihn getötet hat. Ist sie in Gewahrsam?«
»Bei Medea Sommer besteht keine Fluchtgefahr. Sie ist hier in Boston, und Sie können jederzeit herkommen und mit ihr sprechen. Ich versichere Ihnen, der Schusswaffengebrauch damals in San Diego war absolut gerechtfertigt. Es war Notwehr.
Und der Mann, den sie erschossen hat, war nicht Jimmy Otto.
Sondern ein Kerl namens Bradley Rose.«
»Nein, das war er nicht. Jimmys eigene Schwester hat ihn identifiziert.«
»Carrie Otto hat Sie angelogen. Das war nicht ihr Bruder.«
»Wir haben DNA, die es beweist.« Jane stutzte. »Welche DNA?«
»Der Bericht lag der Akte nicht bei, die wir Ihnen geschickt haben, weil die endgültigen Testergebnisse erst Monate nachdem wir den Fall abgeschlossen hatten vorlagen. Jimmy war nämlich in einem anderen Gerichtsbezirk wegen Mordverdachts zur Fahndung ausgeschrieben. Die Kollegen haben sich an uns gewandt, weil sie absolut sichergehen wollten, dass ihr Verdächtiger tot war. Sie haben Jimmys Schwester um eine DNA-Probe gebeten.«
»Carries DNA?«
Potrero seufzte ungeduldig, als hätte er es mit einer Schwachsinnigen zu tun. »Ja, Detective Rizzoli. Carries DNA. Sie wollten beweisen, dass der Tote tatsächlich ihr Bruder war. Carrie Otto schickte einen Wangenabstrich, und wir verglichen die DNA mit der des Opfers. Es ergab sich eine signifikante Übereinstimmung.«
»Das kann nicht stimmen.«
»Sie wissen doch, wie es immer heißt: Die DNA lügt nicht.
Laut unserem Labor war Carrie Otto definitiv eine weibliche Verwandte des Mannes, den wir dort in dem Garten ausgegraben hatten. Entweder hatte Carrie noch einen anderen Bruder, der hier in San Diego getötet wurde, oder Medea Sommer hat Sie angelogen. Und sie hat gar nicht den Mann erschossen, den sie erschossen haben will.«
»Carrie Otto hatte keinen anderen Bruder.«
»Genau. Ergo hat Medea Sommer Sie angelogen. Also, ist sie nun in Gewahrsam?«
Jane antwortete nicht. Ein Dutzend Gedanken schwirrten in ihrem Kopf umher wie Motten, und sie bekam nicht einen davon zu fassen.
»Mein Gott«, sagte Detective Potrero. »Erzählen Sie mir nicht, dass sie auf freiem Fuß ist.«
»Ich rufe Sie zurück«, sagte Jane. Sie legte auf und starrte zur Frontscheibe hinaus. Zwei Ärzte kamen gerade aus dem Krankenhaus und überquerten zielstrebig die Straße. Die beiden sehen aus, als ob sie keine Zweifel kennen, dachte Jane, als sie ihren flatternden weißen Kitteln nachschaute. Und ich sitze hier und zweifle allmählich an allem. Jimmy Otto oder Bradley Rose? Wen hat Medea vor zwölf Jahren in ihrem Haus erschossen, und warum sollte sie in diesem Punkt lügen?
Wen hat Frost wirklich getötet?
Sie dachte an die Ereignisse, deren Zeugin sie an jenem Abend in Maine geworden war. Carrie Ottos Tod. Das grausige Ende eines Mannes, den sie für Carries Bruder gehalten hatte.
Medea hatte ihn Timmy genannt, und er hatte auf diesen Namen reagiert. Also musste es Jimmy Otto gewesen sein, wie Medea behauptete.
Aber die DNA war ein Hindernis, gegen das sie ein ums andere Mal anrannte, der wasserdichte Beweis, der all dem widersprach. Laut der DNA war es nicht Bradley gewesen, der in San Diego gestorben war. Sondern ein männlicher Verwandter von Carrie Otto.
Es gab nur eine mögliche Schlussfolgerung. Medea hat uns angelogen.
Und wenn sie Medea laufen ließen, würden sie als unfähige Versager dastehen. Verdammt, dachte sie, wir sind Versager, und der Beweis liegt in der DNA. Denn die lügt nicht, wie Detective Potrero gesagt hatte.
Sie tippte Crowes Nummer in ihr Handy ein und stockte plötzlich.
Oder lügt sie doch?
Ihre Tochter schlief. Josephines Haare würden
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