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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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lächelte. »Je staubiger, desto besser.«
    »Und so etwas reizt Sie?«
    »Sie klingen, als ob Sie das nicht verstehen könnten.«
    »Ich frage mich nur, was für ein Mensch man sein muss, um sein Leben freiwillig mit dem Studium alter Vasen und Gebeine zu verbringen.«
    »Was macht eine junge Frau wie Sie in so einem Job? Ist das Ihre Frage?«
    Er lachte. »Sie sind mit Abstand das Jüngste in diesem ganzen Haus.«
    Jetzt lächelte auch sie, denn das stimmte tatsächlich. »Es ist die Verbindung mit der Vergangenheit. Ich liebe es, eine Tonscherbe in die Hand zu nehmen und mir den Mann vorzustellen, der die Töpferscheibe gedreht hat. Und die Frau, die mit diesem Krug Wasser holen ging. Und das Kind, das ihn eines Tages fallen ließ und zerbrach. Geschichte war für mich nie etwas Totes. Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass sie in den Gegenständen, die man in den Vitrinen von Museen bewundern kann, quicklebendig ist. Es liegt mir wohl im Blut; ich bin von Geburt an damit vertraut, weil …« Sie verstummte, als sie merkte, dass sie sich gerade auf gefährliches Gebiet verirrt hatte. Sprich nicht über die Vergangenheit.
    Sprich nicht über Mom.
    Zu ihrer Erleichterung ging Frost nicht auf ihre plötzliche Zurückhaltung ein. Seine nächste Frage betraf gar nicht sie selbst.
    »Ich weiß, dass Sie noch nicht lange hier arbeiten,« sagte er, »aber hatten Sie jemals das Gefühl, dass in diesem Haus nicht alles mit rechten Dingen zugeht?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie sagten vorhin, Sie hätten das Gefühl, in einem Horrorhaus zu arbeiten.«
    »Das war nicht wörtlich gemeint. Aber Sie können das doch sicher verstehen – nach dem, was Sie gerade hinter der Wand im Keller gefunden haben? Nach dem, was wir über Madam X herausgefunden haben?« Die Temperatur in ihrem klimatisierten Büro schien immer weiter zu sinken. Josephine griff hinter sich, um die Strickjacke anzuziehen, die sie über ihren Stuhl gehängt hatte. »Wenigstens ist mein Job nicht annähernd so scheußlich, wie Ihrer es sein muss. Sie fragen mich, warum ich mich dafür entschieden habe, mit alten Vasen und Knochen zu arbeiten. Und ich frage mich, wieso jemand wie Sie sich freiwillig mit – nun ja, mit den Scheußlichkeiten der Gegenwart beschäftigt.« Sie blickte auf und sah einen Funken von Unbehagen in seinen Augen aufblitzen, weil diesmal er es war, an den die Frage gerichtet war. Als jemand, der es gewohnt war, andere auszufragen, schien er wenig geneigt, im Gegenzug irgendetwas Persönliches über sich herauszurücken.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich nehme an, ich darf selbst keine Fragen stellen. Nur welche beantworten.«
    »Nein, ich frage mich nur, wie Sie das gemeint haben.«
    »Gemeint?«
    »Als Sie sagten: Jemand wie Sie.«
    »Oh.« Sie lächelte verlegen. »Es ist nur, weil Sie so einen netten Eindruck auf mich machen. Freundlich und liebenswürdig.«
    »Und das sind die meisten Polizisten nicht?«
    Sie errötete. »Ich reite mich nur immer weiter rein, was?
    Ehrlich, das war als Kompliment gemeint. Denn ich muss zugeben, dass Polizisten mir immer ein bisschen Angst einjagen.«
    Sie senkte den Blick. »Ich glaube nicht, dass ich die Einzige bin, der es so geht.«
    Er seufzte. »Ich fürchte, da haben Sie recht. Obwohl ich sicher bin, dass es auf der ganzen Welt kaum einen Menschen gibt, vor dem man weniger Angst haben muss als vor mir.«
    Aber trotzdem fürchte ich mich vor dir. Weil ich weiß, was du mir antun könntest, wenn du hinter mein Geheimnis kämst.
    »Detective Frost?« Nicholas Robinson stand plötzlich in der Tür. »Ihre Kollegin braucht Sie unten.«
    »Oh. Okay.« Frost schenkte Josephine ein Lächeln. »Wir unterhalten uns später weiter, Dr. Pulcillo. Und sehen Sie zu, dass Sie etwas in den Magen bekommen, ja?«
    Nicholas wartete, bis Frost das Büro verlassen hatte, und fragte sie dann: »Was sollte das denn eben?«
    »Wir haben nur ein bisschen geplaudert.«
    »Er ist Kriminalpolizist. Die plaudern nicht einfach nur ein bisschen.«
    »Es ist ja nicht so, als ob er mich verhört hätte oder so.«
    »Hast du etwas auf dem Herzen, Josie? Etwas, was ich wissen sollte?«
    Obwohl seine Frage sie misstrauisch machte, gelang es ihr, mit ruhiger Stimme zu antworten: »Wie kommst du denn darauf?«
    »Du bist nicht du selbst. Und nicht nur wegen dieser Sache, die heute passiert ist. Als ich gestern auf dem Flur von hinten auf dich zukam, da bist du vor Schreck fast an die Decke gesprungen.«
    Sie saß da, hatte die

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