Grabkammer
spürte, sobald man einen Raum betrat? Einschließlich der Blicke, die einem alles andere als willkommen sind.
»Ich hoffe, Sie begreifen, dass Sie in Zukunft sehr viel vorsichtiger sein müssen«, sagte Frost.
Josephine schluckte. »Ich weiß.«
»Können Sie für eine Weile irgendwo anders unterkommen? Sollen wir Sie vielleicht gleich dorthin fahren?«
»Ich … Ich denke, ich werde wohl für eine Weile die Stadt verlassen.« Josephine richtete sich in ihrem Sessel auf, als hätte der Plan, den sie gefasst hatte, ihr neuen Mut gegeben. »Meine Tante lebt in Vermont. Ich werde bei ihr wohnen.«
»Wo in Vermont? Wir müssen wissen, wo wir Sie finden können.«
»In Burlington. Ihr Name ist Connie Pulcillo. Aber Sie können mich jederzeit auf meinem Handy erreichen.«
»Gut«, meinte Frost. »Und ich gehe davon aus, dass Sie keine solchen Dummheiten mehr machen werden, wie allein auf eine Wanderung zu gehen.«
Josephine brachte ein mattes Lächeln zustande. »So etwas werde ich so schnell nicht wieder tun.«
»Übrigens, danach wollte ich Sie sowieso noch fragen«, schaltete Jane sich ein. »Diese kleine Wanderung, die Sie heute gemacht haben.«
Josephines Lächeln verflog; sie schien zu spüren, dass Jane sich nicht so leicht um den Finger wickeln ließ. »Ich weiß, das war nicht besonders klug von mir«, gab sie zu.
»Ein verregneter Tag. Matschige Wege. Wie sind Sie nur auf die Idee gekommen, da draußen wandern zu gehen?«
»Ich war nicht die einzige Besucherin im Park. Diese Familie war auch dort.«
»Diese Leute sind von auswärts, und ihr Hund brauchte Auslauf.«
»Den brauchte ich auch.«
»Nach dem Matsch an Ihren Stiefeln zu urteilen, haben Sie mehr als nur einen kleinen Spaziergang gemacht.«
»Rizzoli«, sagte Frost. »Worauf willst du hinaus?«
Jane ignorierte ihn und konzentrierte sich weiter auf Josephine. »Wollen Sie uns vielleicht noch irgendetwas sagen, Dr. Pulcillo – über den wahren Grund Ihres Ausflugs zur Blue Hills Reservation? An einem Donnerstagmorgen, an dem Sie, wie ich vermute, eigentlich hätten arbeiten müssen?«
»Ich fange erst um eins an.«
»Der Regen hat Sie nicht abgeschreckt?«
Josephines Gesicht nahm den Ausdruck eines gehetzten Tieres an. Sie hat Angst vor mir, dachte Jane. Was ist es, was mir an dieser ganze Sache bisher entgangen ist?
»Es war eine sehr anstrengende Woche für mich«, sagte Josephine. »Ich musste einfach eine Weile an der frischen Luft sein, um ein bisschen nachzudenken. Ich hatte gehört, dass man im Park schöne Wanderungen machen kann, also bin ich hingefahren.« Sie richtete sich auf, und ihre Stimme klang wieder fester.
Selbstsicherer. »Mehr ist es nicht gewesen, Detective. Ein Spaziergang. Ist daran irgendetwas Verbotenes?«
Die beiden Frauen fixierten einander einen Moment lang.
Und Jane war verwirrt, weil sie nicht verstand, was hier eigentlich vor sich ging.
»Nein, daran ist nichts Verbotenes«, sagte Frost. »Und ich denke, wir haben Ihnen für heute genug zugesetzt.«
Jane sah, wie die junge Frau abrupt den Blick abwandte.
Und sie dachte. Im Gegenteil, wir haben ihr noch nicht genug zugesetzt.
»Wer hat dir eigentlich gesagt, dass du den ›guten Bullen‹, spielen sollst?,« schimpfte Jane, als sie und Frost in Janes Subaru einstiegen.
»Was soll das heißen?«
»Du warst so damit beschäftigt, Pulcillo anzuhimmeln, dass ich gezwungen war, die Rolle des bösen Bullen zu übernehmen.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Kann ich Ihnen eine Tasse Kaffee machen?« Jane schnaubte.
»Was bist du – Polizist oder Butler?«
»Was hast du denn für ein Problem? Das arme Mädchen hat gerade den Schock ihres Lebens erlitten. Ihre Schlüssel wurden gestohlen, in ihrem Kofferraum liegt eine Leiche, und wir haben ihren Wagen beschlagnahmt. Klingt das nicht nach jemandem, der ein bisschen Mitgefühl verdient? Du hast sie wie eine Tatverdächtige behandelt.«
»Mitgefühl? Ist das alles, was du ihr da drin angeboten hast? Ich habe nur noch darauf gewartet, dass du sie zum Essen einlädst.«
In all den Jahren, die sie nun schon zusammenarbeiteten, hatte Jane es noch nie erlebt, dass Frost wirklich wütend auf sie gewesen wäre. Es war deshalb mehr als nur verstörend, den Zorn zu sehen, der plötzlich in seinen Augen aufflammte; es war beinahe beängstigend.
»Du kannst mich mal, Rizzoli.«
»He!«
»Du bist es, die hier ein Problem hat, weißt du das? Was ist es denn, was dich an ihr so fuchst? Die Tatsache,
Weitere Kostenlose Bücher