Grabkammer
verlorene Schlüsselbund ist nicht wieder aufgetaucht?«
Josephine schlug die Augen nieder. Es waren nur wenige Momente der Zögerns, ehe sie antwortete, doch sie reichten, um Jane aufmerken zu lassen. Was gab es bei einer derart simplen Frage zu überlegen?
»Nein«, sagte Josephine. »Ich habe diese Schlüssel nie wiedergesehen.«
Frost fragte: »Wenn Sie auf der Arbeit sind, wo bewahren Sie da Ihre Handtasche auf?«
»In meinem Schreibtisch.« Josephine wirkte sichtlich erleichtert, als sei dies eine Frage, deren Beantwortung ihr keine Probleme bereitete.
»Ist Ihr Büro abgeschlossen?« Er beugte sich vor, als wollte er auf keinen Fall ein Wort verpassen.
»Nein. Ich gehe den ganzen Tag in meinem Büro ein und aus, also mache ich mir nicht die Mühe, es abzuschließen.«
»Ich nehme an, das Museum ist videoüberwacht? Gibt es Aufzeichnungen, auf denen man sehen könnte, wer Ihr Büro betreten hat?«
»Theoretisch ja.«
»Wie meinen Sie das?«
»Unser Videoüberwachungssystem hat vor drei Wochen den Geist aufgegeben, und es ist bisher noch nicht wieder instand gesetzt worden.« Sie zuckte mit den Achseln. »Es ist eine Kostenfrage. Das Geld ist immer knapp, und wir dachten uns, um potenzielle Diebe abzuschrecken, würde es schon ausreichen, dass die Kameras für jeden gut sichtbar sind.«
»Es hätte also jeder Besucher des Museums einfach nach oben in ihr Büro spazieren und die Schlüssel an sich nehmen können.«
»Und nach dem ganzen Medienrummel um Madam X hatten wir Scharen von Besuchern. Das Publikum hat das Crispin Museum endlich entdeckt.«
»Warum sollte ein Dieb nur Ihre Schlüssel nehmen und die Handtasche dalassen?«, fragte Tane. »Hat sonst noch etwas aus Ihrem Büro gefehlt?«
»Nein. Es ist mir jedenfalls nichts aufgefallen. Deswegen habe ich mir auch keine Gedanken darüber gemacht. Ich sagte mir, du hast die Schlüssel wahrscheinlich irgendwo liegen lassen. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass jemand sie benutzen würde, um sich Zugang zu meinem Auto zu verschaffen. Und dieses … Ding in meinen Kofferraum zu legen.«
»Ihr Wohnblock hat keinen eigenen Parkplatz«, bemerkte Frost.
Josephine schüttelte den Kopf. »Hier muss jeder sehen, wo er bleibt. Ich parke auf der Straße, wie alle anderen Mieter auch. Deswegen lasse ich auch nie irgendwelche Wertsachen im Auto liegen. Es werden nämlich immer mal wieder welche aufgebrochen – allerdings in der Regel, um etwas mitzunehmen.«
Sie schüttelte sich. »Und nicht, um etwas hineinzulegen. »
»Wie sind die Sicherheitsvorkehrungen im Gebäude?«, fragte Frost.
»Dazu kommen wir gleich noch«, sagte Jane. »Irgendjemand hat Ihren Schlüsselbund. Ich denke, das ist jetzt das dringlichste Problem – die Tatsache, dass er auf sie fixiert zu sein scheint.« Er wandte sich an die junge Frau. »Können Sie sich denken, wieso?«
Josephine wich seinem Blick hastig aus. »Nein.«
»Könnte es jemand sein, den Sie kennen? Jemand, den Sie kürzlich kennen gelernt haben?«
»Ich bin erst seit fünf Monaten in Boston.«
»Wo haben Sie vorher gewohnt?«, fragte Jane.
»Ich war auf Jobsuche in Kalifornien. Als ich dann die Stelle im Museum bekam, bin ich nach Boston gezogen.«
»Irgendwelche Feinde, Dr. Pulcillo? Irgendwelche Exfreunde, mit denen Sie Stress haben?«
»Nein.«
»Ist unter Ihren Archäologenfreunden vielleicht jemand, der wissen könnte, wie man eine Frau zu einer Mumie verarbeitet? Oder zu einem Schrumpfkopf?«
»Über dieses Wissen verfügen viele Leute. Dazu muss man kein Archäologe sein.«
»Aber Ihre Freunde sind Archäologen.«
Josephine zuckte mit den Achseln. »Ich habe nicht allzu viele Freunde.«
»Warum nicht?«
»Wie ich Ihnen bereits sagte, ich bin neu hier in Boston. Ich bin erst im März hergezogen.«
»Es fällt Ihnen also niemand ein, der Ihnen nachspioniert haben könnte? Der Ihre Schlüssel gestohlen haben könnte? Jemand, der versuchen könnte, Sie zu terrorisieren, indem er eine Leiche in Ihren Kofferraum legt?«
Zum ersten Mal bekam Josephines Selbstbeherrschung Risse, und die verängstigte Seele hinter der stoischen Maske kam zum Vorschein. Sie flüsterte: »Nein, ich habe keine Ahnung! Ich weiß nicht, wer das alles tut. Oder warum er sich mich ausgesucht hat.«
Jane studierte die junge Frau, und sie konnte nicht umhin, die makellose Haut und die kohlschwarzen Augen zu bewundern.
Was war das für ein Gefühl, wenn man so schön war? Wenn man die Blicke aller Männer auf sich
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