Grabkammer
dennoch seinen Lauf.«
Frost und Jane wechselten einen Blick. »Unser Täter durfte also keine Zeit verlieren, nachdem er sie getötet hatte«, sagte Jane.
Vandenbrink nickte. »Sie muss kurz nach ihrem Tod ins Wasser gelegt worden sein. Im Fall der europäischen Moorleichen wurden die Opfer wohl lebend ins Moor geführt. Und erst dort, am Wasserrand, wurden sie getötet.«
Jane wandte sich um und betrachtete die brutal zertrümmerten Schienbeine auf den Röntgenbildern am Leuchtkasten. »Diese Frau kann mit ihren zwei gebrochenen Beinen nirgendwo hingegangen sein. Sie muss getragen worden sein. Wenn Sie der Mörder wären, würden Sie das sicher nicht im Dunkeln machen – zu Fuß durch ein Torfmoor irren.«
»Also tut er es am helllichten Tag?«, meinte Frost. »Zerrt sie aus seinem Auto und schleift sie ans Wasser? Er muss sich die Stelle vorher ausgesucht haben. Eine Stelle, von der er wusste, dass er dort nicht gesehen würde; aber auch nahe genug an einer Straße, damit er sie nicht so weit tragen musste.«
»Es müssen noch andere Bedingungen erfüllt sein«, bemerkte Vandenbrink.
»Welche sind das?«, fragte Jane.
»Das Wasser muss tief und kalt genug sein. Die Temperatur ist entscheidend. Und der Ort muss so abgelegen sein, dass die Leiche während der erforderlichen Wartezeit nicht entdeckt wird.«
»Das ist eine lange Liste von Bedingungen«, sagte Tane.
»Wäre es nicht leichter, einfach eine Badewanne mit Wasser und Torfmoos zu füllen?«
»Wie wollen Sie wissen, ob Sie die Bedingungen richtig nachgebildet haben? Ein Moor ist ein komplexes Ökosystem, das wir noch nicht zur Gänze verstehen; eine chemische Suppe aus organischen Materialien, die über Jahrhunderte vor sich hin brodeln muss. Selbst wenn es Ihnen gelingt, diese Suppe in einer Badewanne anzurühren, müssen Sie sie zunächst einmal auf vier Grad Celsius herunterkühlen und sie dann mindestens einige Wochen lang auf dieser Temperatur halten. Dann müssten Sie die Leiche monate-, wenn nicht jahrelang darin einweichen lassen. Wie wollen Sie das so lange verheimlichen? Was ist mit den Gerüchen, die dabei entstehen? Würden die Nachbarn nicht Verdacht schöpfen?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, der ideale Platz ist immer noch ein Moor. Ein richtiges Moor.«
Aber diese gebrochenen Beine stellten immer noch ein Problem dar. Ob das Opfer noch lebte oder schon tot war, es musste zum Rand des Wassers getragen oder geschleift werden, möglicherweise durch sumpfiges Gelände. »Wie groß wird sie wohl gewesen sein?«, fragte Tane.
»Nach den Skelettmaßen zu urteilen«, antwortete Maura, »schätze ich sie auf knapp eins siebzig. Und man sieht, dass sie relativ schlank ist.«
»Also vielleicht fünfundfünfzig oder sechzig Kilo schwer.«
»Eine plausible Schätzung.«
Aber selbst mit einer schlanken Frau auf den Schultern würde ein Mann nicht sehr schnell vorankommen. Und wenn sie bereits tot war, wäre die Zeit ein entscheidender Faktor. Wenn es zu lange dauerte, würde bei der Leiche der unumkehrbare Verwesungsprozess einsetzen. Wenn das Opfer dagegen noch lebte, gäbe es Schwierigkeiten anderer Art zu überwinden. Eine Frau, die sich nach Kräften wehrte; die Gefahr, dass jemand ihre Schreie hörte, wenn man sie aus dem Wagen zerrte. Wo hast du diesen idealen Ort gefunden, diese geheime Richtstätte?
Der Summer der Gegensprechanlage ertönte, und aus dem Lautsprecher drang die Stimme von Mauras Sekretärin: »Dr. Isles, da ist ein Anruf auf der Eins. Ein gewisser Scott Thurlow vom National Crime Information Center.«
»Ich nehme den Anruf an«, sagte Maura. Sie streifte ihre Handschuhe ab und ging zum Telefon. »Hier Dr. Isles.« Sie lauschte eine Weile schweigend, dann straffte sie sich plötzlich und warf Tane einen Blick zu, der sagte: Das hier ist wichtig.
»Danke, dass Sie mir Bescheid gesagt haben. Ich werde es mir gleich ansehen. Bleiben Sie dran.« Sie ging zum Computer.
»Was gibt’s?«, fragte Tane.
Maura öffnete eine an sie gerichtete E-Mail und klickte auf den Anhang. Auf dem Bildschirm erschien eine Reihe von Gebiss-Röntgenaufnahmen. Im Gegensatz zu den Phantomogrammen, die sie in der Rechtsmedizin verwendeten und die alle Zähne auf einen Blick zeigten, waren dies Zielaufnahmen aus einer Zahnarztpraxis.
»Ta, ich habe sie gerade vor mir«, sagte Maura ins Telefon.
»Ich sehe eine okklusale Amalgamfüllung auf der 30. Das stimmt genau überein.«
»Womit stimmt es überein?«, fragte Tane.
Maura hob
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