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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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um mich zu schützen.«
    »Und warum hat sie dann nicht die Polizei gerufen? Wovor lief sie davon?« Jane beugte sich noch weiter vor, bis ihr Gesicht dicht vor dem der jungen Frau war. »Ich will die Wahrheit hören, Josephine!«
    Alle Luft schien aus Josephines Lunge zu weichen. Ihre Schultern sackten herab, und sie ließ resigniert den Kopf hängen. »Vor dem Gefängnis«, flüsterte sie. »Meine Mutter war auf der Flucht vor dem Gefängnis.«
    Das war es, worauf sie gewartet hatten. Das war die Erklärung. Jane konnte es an der Haltung der jungen Frau erkennen, konnte es in ihrer mutlosen Stimme hören. Josephine wusste, dass die Schlacht verloren war, und nun endlich rückte sie die Beute heraus: die Wahrheit.
    »Welches Verbrechen hatte sie begangen?«, fragte Jane. »Ich kenne die Details nicht. Sie sagte, ich sei noch ein Baby gewesen, als es passierte.«
    »Hat sie etwas gestohlen? Jemanden getötet?«
    »Sie wollte nicht darüber reden. Bis zu dieser Nacht in San Diego wusste ich überhaupt nichts davon. Bis sie mir den Grund verriet, warum wir nicht die Polizei rufen konnten.«
    »Und Sie haben einfach Ihre Sachen gepackt und die Stadt verlassen, nur weil sie Ihnen sagte, Sie sollten ein braves Mädchen sein und ihr folgen?«
    »Was hätte ich denn Ihrer Meinung nach tun sollen?« Josephine hob den Kopf und sah Jane trotzig an. »Sie war meine Mutter, und ich habe sie geliebt.«
    »Und doch sagte sie Ihnen, dass sie ein Verbrechen begangen hatte.«
    »Manche Verbrechen sind gerechtfertigt. Manchmal hat man keine Wahl. Was immer sie getan hat, sie hatte einen guten Grund dafür. Meine Mutter war ein guter Mensch.«
    »Ein Mensch, der vor dem Gesetz davonlief.«
    »Dann war das Gesetz eben im Irrtum.« Sie starrte Jane an und weigerte sich, auch nur einen Zoll nachzugeben. Die Tatsache anzuerkennen, dass ihre Mutter fähig gewesen war, Böses zu tun. Konnte irgend eine Mutter sich ein loyaleres Kind wünschen? Es mochte eine falsch verstandene, blinde Loyalität sein, aber es hatte dennoch etwas Bewundernswertes, etwas, was Jane sich auch von ihrer eigenen Tochter gewünscht hätte.

»Ihre Mutter hat Sie also von Stadt zu Stadt geschleift, von einem Namen zum nächsten«, meinte Jane. »Und wo war Ihr Vater die ganze Zeit?«
    »Mein Vater war schon vor meiner Geburt in Ägypten gestorben.«
    »In Ägypten?« Jane beugte sich gespannt vor und fixierte Josephine aufmerksam. »Erzählen Sie mir mehr.«
    »Er stammte aus Frankreich. Einer der Archäologen bei der Ausgrabung.« Josephines Mundwinkel formten sich zu einem wehmütigen Lächeln. »Klug und humorvoll, so hat sie ihn beschrieben. Und vor allem gütig. Das liebte sie am meisten an ihm – sein gutes Herz. Sie wollten heiraten, doch dann passierte ein schrecklicher Unfall. Ein Feuer.« Sie schluckte. »Gemma erlitt ebenfalls Verbrennungen.«
    »Gemma Hamerton war mit ihr in Ägypten?«
    »Ja.« Bei der Erwähnung von Gemmas Namen stiegen Josephine plötzlich die Tränen in die Augen, und sie musste blinzeln. »Es ist meine Schuld, nicht wahr? Es ist meine Schuld, dass sie tot ist.«
    Jane sah Frost an, der von dieser Information ebenso überrascht schien wie sie selbst. Er hatte bislang geschwiegen, aber nun konnte er es sich nicht verkneifen, selbst eine Frage zu stellen.
    »Diese Ausgrabung, von der Sie sprachen, bei der Ihre Eltern sich kennen lernten – in welchem Teil Ägyptens war das?«
     
    »In der Nähe der Oase Siwa. In der Libyschen Wüste.«
    »Wonach haben sie dort gesucht?«
    Josephine zuckte mit den Achseln. »Sie haben sie nie gefunden.«
    »Sie?«
    »Die verlorene Armee des Kambyses.«
    In der Stille, die folgte, konnte Jane beinahe das Klicken hören, mit dem die einzelnen Teile des Puzzles einrasteten. Ägypten. Kambyses. Bradley Rose. Sie wandte sich an Frost. »Zeig ihr sein Foto.«
    Frost zog das Bild aus der Mappe, die er mitgebracht hatte, und reichte es Josephine. Es war das Foto, das Professor Quigley ihnen geliehen hatte: Bradley Rose im Chaco Canyon, wie er mit seinen wasserhellen Wolfsaugen in die Kamera starrte.
    »Erkennen Sie diesen Mann?«, fragte Frost. »Es ist ein altes Bild. Er müsste heute um die fünfundvierzig sein.« Josephine schüttelte den Kopf. »Wer ist das?«
    »Sein Name ist Bradley Rose. Vor siebenundzwanzig Jahren war er auch in Ägypten. Bei derselben archäologischen Grabung, an der ihre Mutter teilgenommen hat. Sie müsste ihn gekannt haben.«
    Josephine betrachtete stirnrunzelnd das Foto, als ob

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