Grabkammer
sie angestrengt versuchte, in diesem Gesicht irgendetwas zu finden, was ihr bekannt vorkam. »Ich habe den Namen nie gehört. Sie hat ihn nie erwähnt.«
»Josephine«, fuhr Frost fort, »wir glauben, dass dies der Mann ist, der Ihnen nachstellt. Der Mann, der Sie vor zwei Tagen überfallen hat. Und wir haben Grund zu der Annahme, dass er der Archäologie-Mörder ist.«
Sie hob verblüfft den Kopf. »Er kannte meine Mutter?«
»Sie haben an derselben Ausgrabung teilgenommen. Sie müssen sich gekannt haben. Das könnte erklären, warum er heute so auf Sie fixiert ist. Ihr Foto war zweimal im Boston Globe abgedruckt, erinnern Sie sich? Damals im März, kurz nachdem Sie die Stelle im Museum bekommen hatten. Und dann noch einmal vor ein paar Wochen, kurz vor dem CT von Madam X.
Vielleicht ist Bradley die Ähnlichkeit aufgefallen. Vielleicht hat er Ihr Foto betrachtet und das Gesicht Ihrer Mutter darin gesehen. Sehen Sie ihr ähnlich?«
Josephine nickte. »Gemma sagte, ich würde meiner Mutter aufs Haar gleichen.«
»Wie war der Name Ihrer Mutter?«, fragte Jane.
Im ersten Moment gab Josephine keine Antwort, als ob dieses Geheimnis so lange in ihrem Herzen vergraben gewesen wäre, dass sie es schon vergessen hatte. Als sie schließlich doch antwortete, war ihre Stimme so leise, dass Jane sich vorbeugen musste, um sie zu verstehen.
»Medea. Ihr Name war Medea.«
»Der Name auf der Kartusche«, sagte Frost.
Josephine starrte das Foto an. »Warum hat sie mir nicht von ihm erzählt? Warum habe ich seinen Namen nie gehört?«
»Ihre Mutter scheint der Schlüssel zu allem zu sein«, meinte Jane. »Der Schlüssel zu dem, was diesen Mann zum Töten treibt. Selbst, wenn Sie noch nie von ihm gehört haben, weiß er mit Sicherheit Bescheid über Sie, und er verfolgt Sie wahrscheinlich schon eine ganze Weile, ohne dass Sie ihn je bemerkt haben. Vielleicht ist er jeden Tag an Ihrem Haus vorbeigefahren. Oder er hat in dem Bus gesessen, mit dem Sie zur Arbeit fuhren. Er ist Ihnen nur nicht aufgefallen. Wenn wir Sie nach Boston zurückbringen, müssen Sie uns eine Liste all der Orte geben, die Sie regelmäßig aufsuchen. Jedes Cafe, jede Buchhandlung.«
»Aber ich gehe nicht nach Boston zurück.«
»Sie müssen aber mitkommen. Anders können wir Sie nicht schützen.«
Josephine schüttelte den Kopf. »Ich bin anderswo besser aufgehoben. Überall besser als dort.«
»Dieser Mann hat Sie hier draußen aufgespürt. Meinen Sie, das könnte er nicht noch ein zweites Mal hinbekommen?« Janes Stimme war ruhig, aber unerbittlich. »Ich will Ihnen einmal schildern, was Bradley Rose seinen Opfern antut. Zuerst macht er sie zum Krüppel, sodass sie nicht fliehen können. So, wie er es mit Ihnen gemacht hat. So, wie er es mit Madam X gemacht hat. Eine Zeit lang hat er sie noch am Leben gelassen. Er hielt sie an einem Ort gefangen, wo niemand sie hören konnte. Wochenlang hat er sie dort festgehalten, und der Himmel weiß, was er in dieser Zeit mit ihr angestellt hat.« Janes Stimme war jetzt sanfter, fast intim. »Und auch nachdem sie gestorben war, blieb sie weiterhin sein Besitz. Er konservierte sie und verarbeitete sie zu einem Andenken. Sie wurde ein Teil seines Harems, Josephine, eines Harems der toten Seelen.« Leise fügte sie hinzu: »Sie sind sein nächstes Opfer.«
»Warum tun Sie das?«, rief Josephine. »Glauben Sie, ich hätte noch nicht genug Angst?«
»Wir können Sie beschützen«, sagte Frost. »Die Schlösser in Ihrer Wohnung wurden bereits ausgetauscht, und jedes Mal, wenn Sie das Haus verlassen wollen, organisieren wir einen Begleitschutz für Sie. Es wird immer jemand bei Ihnen sein, egal wohin Sie müssen.«
»Ich weiß nicht…« Josephine schlang die Arme um den Oberkörper, doch sie konnte nicht verhindern, dass sie am ganzen Leib zitterte. »Ich weiß nicht, was ich machen soll«
»Wir wissen, wer der Mörder ist«, sagte Jane. »Wir wissen, wie er vorgeht, und deshalb ist der Vorteil ganz auf unserer Seite.«
Josephine schwieg, während sie über die Alternativen nachdachte, die sich ihr boten. Davonlaufen oder kämpfen. Dazwischen gab es nichts, keine Halbheiten oder Kompromisse.
»Kommen Sie mit zurück nach Boston«, sagte Jane. »Helfen Sie uns, der Sache ein Ende zu machen.«
»Wenn Sie an meiner Stelle wären, würden Sie das wirklich tun?«, fragte Josephine leise. Sie blickte auf.
Jane sah ihr unverwandt in die Augen. »Ich würde genau das tun.«
Eine Reihe funkelnagelneuer
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