Grabkammer
ein ungewöhnlicher Name.«
Josephine lachte müde. »Meine Mutter hat nie den konventionellen Weg gewählt.«
»War das nicht der Name einer ägyptischen Königin?«
»Ja. Die Gattin von Pharao Ramses des Großen. Nefertari, um deretwillen die Sonne scheint.«
»Was?«
»Das hat meine Mutter immer zu mir gesagt. Sie liebte Ägypten. Sie sprach immer nur davon, dass sie eines Tages dorthin zurückkehren wollte.«
»Und wo ist Ihre Mutter jetzt?«
»Sie ist tot«, antwortete Josephine leise. »Es passierte vor drei Jahren in Mexiko. Sie wurde von einem Auto angefahren. Ich machte gerade in Kalifornien meinen Doktor, als es passierte, deshalb kann ich Ihnen nicht mehr darüber sagen…«
Jane nahm sich einen Stuhl und setzte sich ans Bett.
»Aber Sie können uns von San Diego erzählen. Was ist in jener Nacht passiert?«
Josephine saß mit hängenden Schultern da. Sie hatten sie in die Enge getrieben, und sie wusste es.
»Es war Sommer«, sagte sie. »Eine warme Nacht. Meine Mutter bestand immer darauf, dass wir die Fenster geschlossen hielten, aber in dieser Nacht ließ ich meines offen. So ist er ins Haus gelangt.«
»Durch Ihr Schlafzimmerfenster?«
»Meine Mutter hörte ein Geräusch und kam in mein Zimmer. Er stürzte sich auf sie, und sie wehrte sich. Sie hat mich verteidigt.« Sie sah Jane an. »Sie hatte keine Wahl.«
»Haben Sie gesehen? wie es passierte?«
»Ich habe geschlafen. Erst der Schuss hat mich geweckt.«
»Erinnern Sie sich, wo Ihre Mutter stand, als der Schuss fiel?«
»Das habe ich nicht gesehen. Ich sagte Ihnen doch, dass ich geschlafen habe.«
»Woher wollen Sie dann wissen, dass es Notwehr war?«
»Er war in unserem Haus, in meinem Zimmer. Das reicht doch wohl als Rechtfertigung, oder nicht? Wenn jemand in Ihr Haus eindringt, haben Sie dann nicht das Recht, auf ihn zu schießen?«
»Von hinten in den Kopf?«
»Er hat sich umgedreht! Er schlug sie nieder und drehte sich um. Und da hat sie ihn erschossen.«
»Ich dachte, Sie hätten es nicht gesehen.«
»So hat sie es mir erzählt.«
Jane lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, ohne jedoch den Blick von der jungen Frau zu wenden. Sie ließ die Minuten verstreichen, ließ die Stille ihre Wirkung tun. Eine Stille, in der es umso mehr auffiel, wie Jane jede Pore, jede Regung in Josephines Gesicht studierte.
»Und jetzt haben Sie und Ihre Mutter also eine Leiche im Zimmer«, sagte Jane. »Was ist dann passiert?«
Josephine schöpfte Luft. »Meine Mutter hat sich um alles gekümmert.«
»Sie meinen, sie hat das Blut aufgewischt?«
»Ja.«
»Und die Leiche vergraben?«
»Ja.«
»Hat sie die Polizei gerufen?«
Josephines Finger krampften sich ineinander. »Nein«, flüsterte sie.
»Und am nächsten Morgen haben Sie die Stadt verlassen.«
»Ja.«
»Also, das ist der Punkt, den ich nicht verstehe«, sagte Tane.
»Mir scheint, dass Ihre Mutter da eine merkwürdige Entscheidung getroffen hat. Sie behaupten, sie hätte den Mann in Notwehr erschossen.«
»Er war in unser Haus eingebrochen. Er war in meinem Schlafzimmer.«
»Denken wir einmal darüber nach. Wenn ein Mann in Ihr Haus einbricht und Sie angreift, haben Sie das Recht, tödliche Gewalt anzuwenden, um sich zu verteidigen. Dafür würde Ihnen ein Polizist vielleicht sogar anerkennend auf die Schulter klopfen. Aber Ihre Mutter hat nicht die Polizei gerufen. Stattdessen hat sie die Leiche hinaus in den Garten geschleift und sie verscharrt. Sie hat das Blut aufgewischt, ihre Tochter geschnappt und die Stadt verlassen. Erscheint Ihnen das etwa logisch? Ich jedenfalls finde es verdammt unlogisch.« Tane beugte sich vor, eine aggressive Geste, mit der sie bewusst in den persönlichen Freiraum der jungen Frau eindrang. »Sie war Ihre Mutter. Sie muss Ihnen doch gesagt haben, warum sie das tat.«
»Ich hatte Angst. Ich habe keine Fragen gestellt.«
»Und sie gab Ihnen auch keine Antworten?«
»Wir sind geflüchtet, das ist alles. Ich weiß, aus heutiger Sicht ergibt es keinen Sinn, aber das haben wir nun einmal getan.
Wir verließen in Panik die Stadt. Und wenn man so etwas tut, kann man nicht hinterher zur Polizei gehen. Man erscheint schon deswegen schuldig, weil man davongelaufen ist.«
»Sie haben recht, Josephine. Ihre Mutter sieht wirklich verdammt schuldig aus. Der Mann, den sie getötet hat, wurde in den Hinterkopf geschossen. Für die Polizei von San Diego sah das ganz und gar nicht nach Notwehr aus. Sondern nach kaltblütigem Mord.«
»Sie hat es getan,
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