Grablichter - Almstädt, E: Grablichter
über und umrundete das Haus.
Sie leuchtete in jedes Fenster im Erdgeschoss und versuchte, durch die grobmaschigen, vergilbten Tüllgardinen und die staubigen Fliegengitter in die Wohnräume zu spähen. Alles sah leer und verlassen aus. Am Küchenfenster war es etwas einfacher, weil keine Gardinen die Sicht behinderten. Der Lichtkegel ihrer Taschenlampe glitt über den Terrazzoboden und die Küchenzeile, streifte die zerfledderte Zeitung auf dem Küchentisch und das dunkle Rechteck der offen stehenden Tür zum Flur. Etwas Dunkles huschte auf sie zu – Pias Herz machte einen Satz, doch es war nur Dettendorfs Hund, der sie bemerkt hatte. Er schlug aber nicht an, sondern schnüffelte an etwas Dunklem herum, das im Durchgang zum Flur auf dem Fußboden lag. Es sah aus … wie ein menschlicher Körper. Lag dort Jan Dettendorf?
Pia klopfte gegen die Fensterscheibe. Der Hund fing wieder an zu bellen, aber die Person auf dem Fußboden reagierte nicht.
Sie musste ins Haus. Unbedingt. Der Hund würde sie schon nicht beißen … Die Fenster waren nur einfach verglast. Pia schlug die Scheibe mit der Taschenlampe ein. Sie brach die Scherben neben dem Fenstergriff heraus und öffnete den Fensterflügel. Ein paar Topfpflanzen fielen zu Boden. Gerlach würde sie für verrückt erklären. Wo blieb der Kerl nur so lange?
Sie stemmte sich an der Fensterbank hoch und kletterte hinein.Der Hund kam sofort näher, kläffte und knurrte aber nicht. Vielleicht erkannte er sie wieder.
Im Lichtkegel ihrer Taschenlampe sah sie, dass die Gestalt auf dem Fußboden Jan Dettendorf war. Sie knipste das Deckenlicht an und kniete sich neben ihn. Pia sprach ihn an, berührte ihn am Arm, doch er reagierte nicht: Er war bewusstlos, aber er atmete. Es roch nach Erbrochenem, jedoch nicht nach Alkohol, wie sie zunächst vermutet hatte. Ein Mann allein zu Hause, die Freundin tot – ermordet. Wer wollte es ihm verdenken? Als sie an seinem Handgelenk nach dem Puls fühlen wollte, sah sie die Schwellung. Er hatte sich am Arm verletzt! Sein Puls ging schnell, viel zu schnell, seine Haut fühlte sich feucht an. Pia stellte sicher, dass seine Atemwege frei waren, und brachte ihn in eine stabile Seitenlage. Dann rief sie über ihr Mobiltelefon die Rettungsleitstelle an.
Nachdem sie wusste, dass Hilfe unterwegs war, fühlte sie sich etwas ruhiger. Was war Dettendorf zugestoßen? Er trug Jeans und einen grob gestrickten Pullover, dessen Ärmel bis über die Ellbogen hochgeschoben waren. An den Füßen hatte er dicke Wollsocken, keine Schuhe. Eine Verletzung wie die an seinem Handgelenk hatte Pia noch nie gesehen. Es war eine rötliche, entzündlich aussehende Schwellung mit zwei punktförmigen Blutungen in der Mitte, die an Einstiche erinnerten.
Da Jan Dettendorf offensichtlich eine Art Schock erlitten hatte, deckte sie ihn mit ihrer Jacke zu und redete, beruhigend wie sie hoffte, auf ihn ein. Was war passiert? Der Hund hatte sich in den Flur gelegt und beobachtete jeden ihrer Handgriffe. Die Minuten dehnten sich endlos, und der Fußboden war eiskalt. Das leere Haus wirkte finster, fast bedrohlich auf sie. Wenn nur der Rettungswagen käme …
Und wo blieb Gerlach so lange? Sie fühlte sich hilflos, weil sie nicht wusste, was Dettendorf zugestoßen war. Einer spontanenEingebung folgend, wählte sie Hinnerks Nummer. Mit Situationen wie dieser hatte er als Rettungsassistent schließlich jeden Tag zu tun. Hinnerk war sofort am Apparat. Mit knappen Worten berichtete sie, was los war.
»Ist der Mann verletzt? Hast du ihn untersucht?«, fragte er.
»Ich … Da ist nur diese seltsame Verletzung am Handgelenk …«
»Du musst nachsehen. Vielleicht verliert er irgendwo Blut.«
Pia tastete Dettendorf ab, konnte aber keine weiteren Verletzungen finden.
»Beschreib mir die Stelle am Arm, wie sieht sie aus? Hat er versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden?«
»Nein, glaub’ ich nicht. Hinnerk, er blutet nicht! Die Stelle ist rot und geschwollen. Ich sehe zwei rote Stellen, keine Einschnitte. Es sieht eher so aus, als hätte er sich gestochen.«
»Liegen irgendwo Kanülen herum? Pass auf, dass du dich nicht verletzt!«
»Hier liegt nichts.«
Jan Dettendorf fühlte sich so an, als bekäme er Fieber. Schweiß glänzte auf seiner Stirn.
»Hinnerk, ich kann hier nichts für ihn tun. Wo bleibt nur der Rettungswagen?«
»Die Zeit kommt einem immer unendlich lang vor. Wichtig ist, dass du bei ihm bist. Sag ihm, dass Hilfe kommt.«
Jemand hämmerte gegen die
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