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Grablichter - Almstädt, E: Grablichter

Grablichter - Almstädt, E: Grablichter

Titel: Grablichter - Almstädt, E: Grablichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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einfach erschießen?«, fragte Gerlach gezwungen scherzhaft.
    Pia zog fragend eine Augenbraue hoch. Sie nahm den Schirm am unteren Ende fest in die Hand und betrat das Badezimmer. Gerlach blieb im Flur stehen. Eine einzelne Glühbirne an der Decke verbreitete gelbliches Licht auf den lindgrünen Kacheln. Der Fußboden war in schwarz-weißem Pepitamuster gefliest, einzelne Fliesen waren gesprungen und verkalkt. In einer Ecke stand das Klo mit einem Wasserkasten darüber und einer altmodischen Kette zum Ziehen. Eine Dusche mit stockfleckigem Vorhang befand sich rechts davon, ein Waschbecken hing an der linken Wand. Die Schlange, die sichhier versteckt hielt, tat Pia fast leid. Aber wo steckte das Tier, und wie sah es aus?
    Sie hörte, wie sich der Hubschrauber wieder in die Luft erhob. Jetzt war sie mit Gerlach allein.
    Aufmerksam suchten ihre Augen den spärlich möblierten Raum ab. Ein wackeliges Regal, mit Fön, Gästehandtüchern und ein paar Rattankörbchen bestückt, bot sich vielleicht als Schlangenversteck an. Pia stocherte mit dem Griff des Regenschirms vorsichtig in Dettendorfs Habseligkeiten, doch es rührte sich nichts.
    In Pulli, Jeans, Schutzweste, Stiefeln und dicken Handschuhen fühlte sie sich einigermaßen geschützt, aber es war viel zu warm. Ihr Rücken und ihre Beine waren inzwischen klitschnass. Sie konnte ihren eigenen Angstschweiß riechen. Unter dem gekippten Badezimmerfenster befand sich ein altmodischer Rippenheizkörper, über dem ein paar Socken hingen. Dunkelgrün und … Da war noch etwas Grünliches …
    »Ich glaube, ich habe sie entdeckt«, sagte Pia angespannt. Sie erinnerte sich, dass Schlangen nicht hören, nicht gut sehen, dafür aber hervorragend riechen und Wärme erspüren konnten. Und sie waren wechselwarm, deshalb vielleicht das Versteck hinter dem Heizkörper? Das Heizungsventil stand auf 3 – wahrscheinlich gerade richtig kuschelig für ein heimatloses Reptil.
    In einem Film, den Pia einmal über Schlangen gesehen hatte, hatte der Schlangenexperte die Giftschlange mit einem Schlangenstock hinter dem Kopf fixiert, damit sie nicht beißen konnte. Aber sie sah keinen Kopf, nur einen langen Schlangenkörper, grün, mit braunen Flecken gemustert.
    »Kriegst du sie zu fassen?«, fragte Gerlach, der sie durch den Türspalt beobachtete.
    »Ich weiß nicht einmal, wo der Anfang und wo das Ende ist. Sie ist ziemlich groß. Irgendwelche Vorschläge?«
    »Ich könnte schießen.«
    »Aber nur, wenn du erkennen kannst, wo der Kopf ist. Und was ist, wenn du nicht richtig triffst? Dann springt sie mir ins Gesicht.«
    »Dann mach du …«
    »Die Ärzte können Dettendorf nur helfen, wenn sie wissen, um was für eine Giftschlange es sich handelt.«
    »Hast du eine Digitalkamera im Wagen? Dann könnten wir ein paar Fotos machen«, schlug Gerlach vor.
    »Ja, und vorher überreden wir die Schlange, dass sie sich in Positur legt. Ich sehe nur ein verschwommenes Muster …«
    Pia streckte den Arm aus und berührte die Schlange mit dem Griff des Regenschirms. Zuerst rührte sich nichts, dann zuckte unterhalb der Heizrippen eine Schwanzspitze. Ihr Herzschlag erinnerte Pia an den Trommelwirbel im Zirkus, kurz bevor sich der Artist von Trapez zu Trapez stürzt. Ein kleiner, dreieckiger Kopf tauchte unter dem Heizkörper auf, direkt neben der vibrierenden Schwanzspitze. Lidlose Augen mit senkrecht geschlitzten Pupillen schienen sie zu fixieren. Sie hörte Gerlach hinter sich heftig ausatmen.
    »Komm raus hier …«
    »Warte. Hol die Milchkanne an die Tür!«
    Der Griff des Schirms war noch etwa zehn Zentimeter vom Kopf der Giftschlange entfernt. Pia sah die Zunge hervorschnellen.
    »Pass auf, die sind blitzschnell!«, kommentierte Gerlach aus dem Hintergrund.
    Die Schlange hatte ihre Witterung aufgenommen.

22. Kapitel
    D ie Muskeln in dem langen Körper bewegten sich, der Kopf der Schlange näherte sich dem Fußboden. Als er unten war, stieß Pia den Griff des Schirms nach vorn, um die Schlange kurz hinter ihrem Kopf zu fixieren. Aber das Tier war schneller als sie. Pia erwischte sie nicht direkt hinter dem Kopf, sondern nur ein Stück weiter hinten, und versuchte, den kräftigen Schlangenkörper nach unten zu drücken. Das Tier schnellte mit dem Kopf hoch und attackierte den Stock. Pia konnte die gefährlich aussehenden Zähne sehen, die gegen den Griff des Schirms prallten. Gerlachs Arm tauchte neben ihr auf, zwei Schüsse hallten laut, viel zu laut, zwischen den gekachelten Wänden wider, und die

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