Grablichter - Almstädt, E: Grablichter
nach Fisch, fast nach Meer. Zwischen den Häusern am Ende der Balduinstraße war die Elbe zu sehen. Gerade schob sich ein voll beladenes Containerschiff langsam flussaufwärts. Ein Anblick, der bei Pia Korittki einen Anflug von Fernweh auslöste. Vielleicht brauchte sie tatsächlich einen Tapetenwechsel? Nachdenklich fuhr sie nach Lübeck zurück.
21. Kapitel
S tadtbummel, Schrumpfköpfe, erotische Kunst!«, deklamierte Gabler. »Lisanne Olsen und Jan Dettendorf haben sich einen bunten Nachmittag gemacht, und damit hat es sich.«
»Lisanne Olsen hatte aber auch einen Termin bei der Hapag-Lloyd , wenn wir Herrn Dettendorfs Aufzeichnungen Glauben schenken wollen«, wandte Broders ein. Er warf Pia am anderen Ende des Tisches einen verschwörerischen Blick zu. Ihr gemeinsames Interesse an Studentenverbindungen schien ihre Beziehung verbessert zu haben.
»Dettendorf könnte uns aber genauso gut auf eine falsche Spur locken. Ein Ablenkungsmanöver. Außerdem ist uns nur dann geholfen, wenn wir die Kontaktperson in der Reederei finden und herausbekommen, was Frau Olsen dort überhaupt recherchiert hat. Es kann auch sein, dass das überhaupt nichts mit dem Zeitungsartikel von Henriette Mühlberg zu tun hat.«
Broders starrte den Chef missmutig an. Pia musterte ihren Kollegen über die papierübersäten Schreibtischplatten hinweg. Wie sehr er sich verändert hatte! Schon diese Bräune war im November ungewöhnlich. Legte er sich auf die Sonnenbank? Was trieb den Guten dazu, neuerdings seine Haut zu Markte zu tragen? Wer oder was steckte dahinter? Sie schüttelte den Kopf, um die ablenkenden Gedanken zu vertreiben. »Wir sollten all diejenigen, die mit dieser Ermittlung zu tun haben, mit unseren neuen Erkenntnissen konfrontieren. Dass der Mann auf dem Foto Arnold Plessow sein könnte, dass er mit SimonBurmeister zur selben Zeit auf einem Verbindungshaus gewohnt hat. Die Reaktionen darauf könnten ganz aufschlussreich sein«, sagte Pia.
»Ja. Das werden wir tun müssen«, antwortete Gabler und machte sich eine Notiz. »Aber die Zeit arbeitet gegen uns. Ich habe nachher noch eine Pressekonferenz …«
»Und das Erotische Museum, die Schrumpfköpfe?«, fragte Gerlach interessiert. Er hatte mit einer Literflasche Cola Position auf der Fensterbank bezogen.
»Ich werde Jan Dettendorf noch einmal direkt danach fragen. Er hat zwar aufgezählt, was er am Samstag alles mit Lisanne unternommen hat, aber er ist nicht ins Detail gegangen«, sagte Pia, die verärgert war, weil sie Dettendorf nicht schon längst danach gefragt hatte. »Es ist gut möglich, dass er weiß, warum ihn seine Freundin ausgerechnet dorthin geführt hat. Was sie zum Beispiel an diesen Schrumpfköpfen interessiert hat. Sie wird sich ihm gegenüber ja geäußert haben.«
»Gute Idee. Erledigen Sie das, Frau Korittki, aber nehmen Sie jemanden mit, wenn Sie heute Abend noch losfahren.«
Pia zog überrascht die Augenbrauen hoch. Gabler winkte zerstreut mit dem Kugelschreiber, als Zeichen dafür, dass die Besprechung beendet war. Broders sprang auf und eilte zur Tür. Vielleicht wollte er draußen auf dem Flur ein paar vertrauliche Worte mit dem Leiter wechseln. Gerlach und Pia sahen ihm nach, wie er mit Gabler aus dem Raum verschwand.
»Verkehrte Welt, oder?«, sagte Gerlach. »Hast du bemerkt, wie schick er heute wieder angezogen ist?«
»Gleiches Recht für alle«, antwortete Pia. Gerlach sah schließlich jeden Tag aus wie ein Verkäufer in einer Herrenboutique.
»Ich komme mit dir nach Kirchhagen, wenn du nichts dagegen hast. Ich brauche noch ein bisschen frische Luft.«
Pia nickte zerstreut, während sie versuchte, ihren Besuch in Kirchhagen telefonisch anzukündigen. »Jan Dettendorf geht nicht ans Telefon.«
»Wir fahren trotzdem«, sagte Gerlach. »Vielleicht ist er gerade im Stall.«
Pia zögerte, doch dann nickte sie. Die Zeit drängte. Irgendwann an diesem Abend würden sie Dettendorf schon zu Hause erwischen.
Als sie vom Parkdeck fuhren, schaffte es die Tanknadel des Passats noch bis knapp oberhalb des roten Bereichs. Sie fuhren einen Schlenker, um zu tanken, und dann einen zweiten, weil Pias Magen vernehmlich knurrte. Es gelang ihr, Gerlach zu einem kurzen Zwischenstopp bei ihrem Lieblingsasiaten zu überreden, wo sie, einer alten Wette zufolge, die Getränke stets frei hatte, wenn sie es schaffte, ihre extrascharfe Portion aufzuessen. Der Koch guckte wie jedes Mal interessiert aus der Durchreiche und zwinkerte ihr zu.
Während der Fahrt
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